Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
mit seinem Shirt zu bedecken. „Hauen wir ab“, sagte Simon. Er nahm seinen Sweater wieder an sich und sie liefen zu dem Wagen. Der Michelin-Mann und der Spargel.
Der Schusswechsel hatte sich inzwischen ein Stück weit die Straße hinauf verlagerte und niemand nahm wahr, dass zwei so komplett ungleiche Figuren die Straße entlangeilten.
„Los, rein da!“, befahl Simon und öffnete die Beifahrertür. Bobo gehorchte, Simon sprang auf die Rückbank. Linus und Edda starrten auf den nackten Riesen. Und Bobo starrte auf Edda.
„Oh, eine Dame“, erschrak Bobo und bedeckte seine Blöße.
„Fahr los!“, befahl Simon und warf Bobo die Decke nach vorne. Linus überlegte nicht lange, startete den Motor und gab Gas.
„Alles gut gegangen“, meldete der Hagere über Handy.
| 2117 |
Olsen saß auf der Rückbank, als sie nach Frankfurt fuhren. Dr. Fischer dirigierte Elisabeth dorthin, wo er mit Clint zusammen vor wenigen Tagen schon einmal Olsen „behandelt“ hatte. Der Professor hatte inzwischen die verwegene Idee entwickelt, Olsen wieder zu „reparieren“. Er wollte den momentanen Zustand von dessen Programmierung manifestieren. Sodass Olsen wieder ein universell einsetzbarer Kämpfer wurde, so wie es Clint immer noch war. Diese Verlockung war für Dr. Fischer einfach zu groß, als dass er sie unversucht lassen wollte.
Olsen schaute aus dem Fenster und versuchte sich zu orientieren. Wieder spürte er seinen Herzschlag. Wieder pulste er bis in den Hals. Seine Schläfen pochten. Schweiß trat auf seine Oberlippe, auf seine Stirn. Warum war da wieder diese Unruhe in seinem Körper? Es kam ihm vor, als würden seine Sinne eine Gefahr erkennen und könnten sie nicht an sein Hirn weitermelden. Olsen zwang sich, tief zu atmen. Es gelang ihm. Elisabeth und Dr. Fischer bemerkten nicht, in was für einem Zustand er sich befand.
Olsen fürchtete, dass die schrecklichen Erinnerungen ihn wieder heimsuchen würden. Warum hatte er bei den Bildern aus der Vergangenheit „Vater“ gerufen? Hatte er zusehen müssen, wie man seinen Vater gefoltert hatte? Er versuchte sich an seinen Vater zu erinnern. Doch es kam ihm immer nur sein eigenes Spiegelbild in den Kopf. Und eine Melodie. Aber auch die konnte Olsen nicht einordnen. Waren das alles überhaupt seine Erinnerungen? Während der Begegnung mit Dr. Fischer hatte er überlegt, ob er ihm von diesen Bildern berichten sollte. Er hatte es nicht getan. Er wollte sein komplettes Leben wiederhaben. Nicht nur einen kleinen schrecklichen Teil, von dem er nicht einmal wusste, ob er wirklich zu seinem Leben gehörte.
Olsen versuchte irgendeine Erinnerung an die Umgebung wachzurufen, die sie gerade passierten. Es gelang ihm nicht. Er schaute sich den alten Mann an, der vor ihm auf dem Beifahrersitz hockte. Hatte das Chaos seiner Sinne mit diesem Mann zu tun?
„Wir sind da.“
Elisabeth parkte den Passat. Der Neurologe ließ die beiden Gäste in das unscheinbare Haus in einem Vorort von Frankfurt eintreten und führte sie gleich in den Keller, dort durch einen Flur in das Behandlungszimmer. Elisabeth schöpfte keinen Verdacht. Zu eindeutig war der gute Ruf von Dr. Fischer, zu charmant und harmlos wirkte der ältere Herr. Olsen aber spürte, wie seine Aufmerksamkeit auf die dicke, schalldichte Tür zu dem Behandlungsraum gelenkt wurde. Er war hellwach, als er den gekachelten Raum betrat. Die Tür fiel ins Schloss. Dr. Fischer zog seinen Mantel aus und den weißen Kittel über, der dort hing. Er bat Olsen auf dem Behandlungsstuhl Platz zu nehmen und lächelte, als er zu der Stereoanlage ging und eine Musik auflegte. Barockmusik. Ein Stück von Johann Pachelbel. Der Kanon gehörte zu Fischers Lieblingsmusik. Wichtiger aber, viel wichtiger war die Frequenz, die mit dieser speziellen Anlage mit ausgesandt wurde. Eine spezielle, niedrige Frequenz, die nicht hörbar Einfluss auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit nahm.
Seine Hörgeräte hatte Fischer ausgestellt, bevor er in den Behandlungsraum gekommen war. Er war sicher vor den Frequenzen. Olsen und Elisabeth nicht. Sie wirkten schon unkonzentriert. Ihre Augen konnten sich nicht auf einen Punkt fixieren. Dr. Fischer lächelte, als er Olsens Hände und Füße festschnallte.
„Wir brauchen eine absolute Ruhestellung des Köpers für diese Untersuchung, ähnlich wie bei einer Computertomografie“, sagte er und suchte sich Zustimmung bei Elisabeth. Willig nickte sie. Fischer faszinierte immer noch, wie einfach es war, Einfluss auf Menschen zu
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