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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Jahre. Also was soll’s? Simon wandte sich um und ging zurück.
    Als er das Tor der Charlottenburger Anstalt passierte und den Weg zur S-Bahn-Station einschlug, verließ ein vergitterter Wagen der JVA das Tor. Simon schenkte ihm kaum Beachtung. Erst als der Wagen fast schon vorüber war und auf die Straße einbiegen wollte, reagierte Simon auf das dumpfe Klopfen. Er schaute auf und sah in das Gesicht seines Vaters. Mit gefesselten Händen pochte er an die Scheibe. Simon war zu verwirrt, um sofort zu reagieren. Der Wagen fuhr davon. Die Blicke von Vater und Sohn aber hielten aneinander fest.
    „Hab dich lieb, Simon“, nahm Simon wahr, obwohl niemand da war, der zu ihm hätte sprechen können. „Pass auf dich auf! Auf deinen Kopf. Wir sehen uns!“ Das war ganz eindeutig die Stimme seines Vaters gewesen. Wie konnte das sein?
    Der Wagen der JVA war längst schon verschwunden, da stand Simon immer noch am Straßenrand und wartete, dass das Weinen endlich nachließ.
    Auf dem Weg zurück zur Freien Universität schaute Simon aus dem Fenster der S-Bahn und spürte dem nach, was er bei der kurzen Begegnung mit seinem Vater empfunden hatte. Es war eine tiefe Verbundenheit, die ihn glücklich gemacht hatte. Das Gefühl geliebt zu werden. Deshalb hatte er geweint. Er konnte sich auch erklären, was mit seinem Vater geschehen war. Er hatte es ihm ja bei seinem Besuch erklärt. Immer wenn er sich verfolgt fühlte, ließ er sich in einen anderen Knast verlegen. Simon war froh. Sein Vater kam zurecht.
    Simons Kopf lehnte an der kühlen Scheibe, das Licht der Sonne war schon winterlich weiß. Simon musste die Augen zukneifen. Dadurch fokussierte sich sein Blick. Und erfasste ein buntes Graffito. Es ähnelte dem Sonnenrad, das Linus im U-Bahn-Netz entdeckt hatte. Simons Blick blieb daran haften. Das Bild war auf die Mauer eines alten Bahngebäudes gesprayt worden. Andere wilde Graffiti bedeckten die Außenwände. Buchstaben, Fratzen, Signaturen. Ein Wesen, das ihn an Yoda erinnerte und das einen seltsamen Helm trug, von dem Tausende kleiner Silberfäden abzugehen schienen. Sie wurden zu Gras, das der Tod im Begriff war abzusensen.
    Simon verließ die S-Bahn an der nächsten Station, schaute sich um, ob ihn jemand beobachtete. Dann sprang er auf die Gleise und eilte zu dem Gebäude. Er schaute durch die eingeschlagenen Fenster. Das Gebäude war leer. Ein paar Signalhebel ragten in das Dunkel des Raumes im Erdgeschoss. Simon suchte nach der Tür. Sie schien verschlossen. Mit einem Tritt öffnete er sie. Krachend flog sie auf. Staub wirbelte auf und für einen Moment umflatterten ein paar aufgeschreckte Fledermäuse Simons Kopf. Er duckte sich weg und trat ein. Sofort fiel ihm auf, wie warm es hier drinnen war. Er fasste den Heizkörper unter dem Fenster an. Er war heiß. Simon schüttelte den Kopf über die Verschwendung, versuchte Licht zu machen. Kein Strom. Er bewegte die Signalhebel. Kein Widerstand. Die Stahlseile zur manuellen Steuerung der Signale waren gekappt worden. An der Wand hingen ein paar Pin-ups. Ein Kalender der Deutschen Bundesbahn. In der einen Ecke war ein winziger Raum abgetrennt, in dem sich eine Toilette und ein kleines Waschbecken befanden. Simon versuchte, die Wasserhähne für warm und kalt zu drehen. Sie klemmten. Er betätigte die Spülung. Braunes Wasser rauschte durch die Schüssel und verschwand im Orkus. Simon hielt den Hebel gedrückt und sah, dass klares Wasser nachlief. Es gab also Wasser hier. In der anderen Ecke des Raumes führte eine schmale Wendeltreppe nach oben. Simon ging vorsichtig die eiserne Stiege hinauf. Der staubige Boden in dem kleinen Raum oben war mit Scherben übersät. Eines der beiden Fenster, die fast bis zum Fußboden reichten, war eingeworfen worden. Kalt zog der Wind herein. Simon schaute hinaus. Er trat aus der Fensteröffnung hinaus. Da war ein kleiner Sims, der die Dachschräge begrenzte. Er konnte weit über das Bahngelände schauen. Simon zündete sich eine neue Zigarette an.
    „Nicht schlecht“, dachte er. Das war wohl eins der Häuschen, von denen Thorben erzählt hatte.
    Am Bahnsteig lächelte der hagere Mann. Er zoomte mit seinem Handy auf Simon und fotografierte ihn. Sofort schickte er das Foto als Mail weiter. » Kontaktaufnahme? « , tippte er als Frage dazu.
    Kurz darauf las er die Antwort. „Kontaktaufnahme: negativ. Will noch mehr über die drei erfahren.“
    „Linus! Linus, da ist jemand“, flüsterte Edda und stupste Linus an. Edda war auf der

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