Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
Vom Netzwerk:
war. Viel zu viele Kontrollen.
    „Mach mich unsichtbar“, erklärte Nikto lakonisch.
    „Ja, klar!“ Simon war beleidigt. Es ärgerte ihn, dass Nikto ihn für so dämlich hielt, dass er das glauben könnte. Sie schwiegen. Nach einer Weile hakte Simon doch noch einmal nach. Er wollte provozierend klingen. „Und wie hast du dich unsichtbar gemacht?“
    „Ist nicht so schwer. Die Menschen nehmen meist nur wahr, was sie erwarten. Was sie kennen. Wenn du nicht in dieses Muster passt, sehen sie dich nicht.“
    Simon dachte über die Logik nach. Es erinnerte ihn an das, was David ihm immer versucht hatte zu erklären. Was Nikto da sagte klang wie das Gegenstück zu der Theorie seines kleinen Bruders. David hatte immer behauptet, dass er Dinge sah, die andere nicht sahen, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass es sie gab. Und der Typ, der da im oberen Bett lag, schien Simon dasselbe erzählen zu wollen; nur mit umgekehrten Vorzeichen.
    „Morgen früh werd hier ich unbemerkt wieder rausmarschieren“, prophezeite Nikto lakonisch. „Dann wirst du es ja sehen.“
    „Ja, klar“, lästerte Simon, „aber warum erst morgen früh? Warum nicht jetzt gleich?“
    „Weil es draußen eben kalt ist. Aber ich versteh schon, du glaubst mir nicht.“ Er beugte sich über den Rand der Matratze zu ihm herunter und Simon sah zum zweiten Mal an diesem Abend ein Gesicht mit dem Mund in der Stirn. „Musst du auch nicht glauben. Du wirst es sehen. Obwohl, sehen wirst du es nicht. Nicht, wie es passiert. Du wirst nur sehen, dass ich nicht mehr da bin. Von einem auf den anderen Moment. Nicht weil ich wirklich unsichtbar werde, sondern weil mich die Schließer hier nicht mehr wahrnehmen. Weil sie eben nur sehen können, was sie sehen wollen.“ Nikto legte sich zurück und dozierte weiter. Wenn die Menschen offen wären für alles Neue, Fremde, Gute, dann hätte er keine Chance. Aber so: Kein Problem zu gehen. „Man kann sich unsichtbar machen, wenn man dem Betrachter keine Signale gibt. Und vor allem: Wenn man selber keine Aufmerksamkeit braucht. Wenn du ganz bei dir bist.“
    War er ganz bei sich? Simon hing dem Gedanken nach und musste lächeln. Wenn er ehrlich war, dann musste er zugeben, dass er nicht bei sich, sondern mehr bei Edda war. Mit seinen Gedanken, mit seinem Herzen. Vielleicht musste er ja tatsächlich nur ganz bei sich sein, um von ihr mehr als nur als Freund wahrgenommen zu werden. Simon überlegte, ob er mit Nikto darüber reden sollte. Ob er von seinem kleinen klugen Bruder erzählen sollte. Aber dann hätte er die ganze Geschichte erzählen müssen. Das wollte er nicht. Lieber stellte er sich vor, was für ein geniales Leben man als Unsichtbarer führen könnte. Wie viel Geld man sich einfach nehmen konnte, wie nah man jedem Mädchen kommen konnte. Er dachte wieder an Edda.
    Edda war keine fünf Meter von Simon entfernt. Aber das wusste er nicht. Und Edda wusste es auch nicht. Mit dem Heulen hatte sie schnell wieder aufgehört, als sie sah, mit wem sie da in einer Arrestzelle saß. Es war ihr, als stünde sie der Edda gegenüber, die sie selbst vor den Erlebnissen im Camp gewesen war. Ihrem alten Ich. Sie trug die angesagten Jeans, die angesagten Tops, das angesagte Make-up im Gesicht. So wie die beiden Mädchen ihr gegenüber. Sie hatten sich zugesoffen, ihr Make-up war verschmiert und ihre Shirts waren dreckig. Sie schimpften auf irgendeine andere „bitch“ und waren sich einig, dass die sie verpfiffen hatte. Weil sie eben noch nicht sechzehn waren und trotzdem in dem Club. Wo so ein wahnsinnig süßer Junge die Platten auflegte.
    „Haltet die Klappe!“, ging Edda sie an. Die beiden erschraken und verstummten. Sie starrten das fremde Mädchen in Cargohose und Kapuzenshirt an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Dann schüttelten sie irritiert die Köpfe und das hohle Gerede ging weiter. Edda hielt sich die Ohren zu und begann einen tiefen Ton zu brummen. Die beiden Mädchen redeten lauter. Edda brummte lauter. Die Mädchen wollten sich das nicht gefallen lassen und hielten dagegen. Edda legte wieder zu. Keine wollte nachgeben. Edda hatte den längeren Atem. Der sich zu einem Ton formte, der fast klang wie das sonore Knurren eines Wolfes. Sie spürte, wie gut ihr dieser tiefe Ton tat. Wie er sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und ihr alle Angst nahm.
    Sie wusste nicht, was nun mit ihr passieren würde. Irgendwie würden die Polizisten sicher ihre Identität herausbekommen. Sie würden in Erfahrung

Weitere Kostenlose Bücher