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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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„Erzähl du weiter.“ Marie setzte sich an den Küchentisch, legte den Kopf zur Seite, um die Erinnerungen zu ordnen.
    „Wir waren auf dem Weg nach Hamburg, richtig?“
    „Ja“, sagte Edda. „Und von da nach New York.“
    „Nein“, sagte Marie und schüttelte den Kopf. „So einfach war das nicht.“

    Als Jimmy und Marie in Hamburg ankamen, war es schon fast dunkel. Die Einwohner der Stadt hatten die Fenster der Häuser verdunkelt und die Laternen auf den Straßen blau eingefärbt, damit Angreifer aus der Luft die Straßenzüge nicht erkennen konnten. Die wenigen Autos, die noch eine Genehmigung hatten, die meisten von ihnen Lieferwagen, durften nur im Licht der Tarnscheinwerfer fahren.
    Auf dem Weg in die Stadt hatten Marie und Jimmy eine Kontrolle passiert. Mit einer gefälschten Ausnahmegenehmigung hatte Jimmy beweisen wollen, dass es ihm erlaubt war, den Wagen zu führen, weil er ihn zum Hafen bringen sollte. Dort würde er auf ein Schiff geladen werden. Doch der Hilfspolizist zögerte. Das gefälschte Papier mit der Unterschrift des Polizeipräsidenten Julius Kehrl machte Eindruck auf ihn, und doch ahnte er, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Die beiden jungen Menschen waren ihm verdächtig. Kehrl war SS-Brigadeführer und bekannt als ein Mann, der Deportationen ausführte und nicht lange fackelte.
    „Wollen Sie meinen Vater anrufen?“, fragte Marie plötzlich in scharfem Ton. „Er freut sich sicher, nach Dienstschluss von so einem tatkräftigen und talentierten Mann wie Ihnen zu hören. Sein Name ist Polizeimajor Kehrl und er wartet auf den Wagen seines Bruders“, sagte Marie.
    Der Hilfspolizist zuckte zusammen, und Marie meinte zu sehen, wie er erbleichte.
    Jimmy und Marie durften passieren.
    An ein paar Ruinen vorbei fuhren sie in die Nähe der Speicherstadt am Hafen. Der Mond ging auf, obwohl es noch nicht dunkel war. Elbe und Alster waren weitläufig mit Tarnplanen abgedeckt, damit sie aus der Luft nicht zu erkennen waren. Seit vier Monaten hat es keine Luftangriffe mehr auf die Stadt gegeben und die Menschen waren leicht bekleidet und flanierten; fast als gäbe es keinen Krieg. Wer genau hinschaute, konnte jedoch sehen, dass die Bürger Hamburgs dünner waren als noch vor ein paar Jahren und dass die Angst vor den Angriffen aus der Luft und die Sorgen um ihre Angehörigen sich in ihre Gesichter gegraben hatten. Jimmy und Marie stiegen aus, und Jimmy ging rasch in einen Kellereingang hinunter und klopfte dreimal kurz, einmal lang an einer Tür.
    Es dauerte eine Weile, bis sich aus der Tiefe des Gewölbes dahinter Geräusche näherten und vor der Tür haltmachten.
    „Ich bin’s, Jimmy!“, sagte er leise und zu Marie: „Er ist ein bisschen verrückt.“
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und ein riesiger Mann im Unterhemd stand vor ihnen. Seine Hose hatte er mit einem Strick befestigt. Seine Arme waren mit Tätowierungen bedeckt, die bis zu seinem Hals hinauf gingen. Er starrte die beiden an.
    „Du hast ganz recht, Kleiner, ich bin verrückt! Aber ich habe gute Ohren“, sagte er mit bösem Gesicht zu Jimmy, um sich dann mit einem Augenzwinkern an Marie zu wenden. „Wer in dieser Welt normal ist, der ist nämlich wirklich krank.“
    Marie lachte erleichtert. Er ließ die Tür offen stehen und schlurfte in das Innere eines weitläufigen Gewölbes, dabei zog er eine Wolke von Alkohol, Schweiß und Tabak hinter sich her in die Katakomben, die über und über mit Gegenständen und Artefakten vollgestopft waren, die Seeleute von ihren Reisen aus aller Welt mitgebrachte hatten. Totems, Speere, Waffen, Schellack und Fischpräparate starrten Marie von den Wänden herab an. Es roch nach fremden Ländern, nach Feuchtigkeit und bald darauf nach Rum, der sich in einem Becher mit Südseemotiven auf einem großen Tisch mitten im größten Raum befand. Darauf standen Lampen aus präparierten Kugelfischen.
    „Jeremias war mal ein bekannter Tätowierer“, sagte Jimmy und deutete auf einen Stuhl und ein Set von Nadeln und Farbgläsern, die verstaubt in einem Winkel standen.
    „Bis die Nazis es verboten haben. Jetzt mach ich Scrimshaw.“
    Jeremias deutete auf ein Regal voller Schnitzereien aus Elfenbein. Sie zeigten Walfänger, Robben und anderes Getier.
    „Kauft aber keiner. Seit das Saupack und die Strauchdiebe alles zerstört haben.“
    „Das ist Marie – meine zukünftige Frau“, sagte Jimmy plötzlich.
    „Hörst du den Stolz in seiner Stimme?“, fragte Jeremias und

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