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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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Keiner von ihnen bemerkte, dass Ehlers sich in einiger Entfernung in einer Torausfahrt aufgestellt hatte und die Gruppe beobachtete. Eva zog eine bedruckte Einladungskarte aus der Tasche ihrer Jacke und hielt sie Marie vor die Nase.

    Einladung zum Tanz:
    » Die Goldene Sieben « lädt Sie ein zu ihrem jährlichen Sommerfest!
    Wo: Im Starlight Room Hotel Atlantic 8:00.
    Formelle Kleidung erwünscht. Kein Einlass ohne Einladung

    „Die Karten sind nur unter den Swings verteilt worden“, sagte Eva, und Marie und Jimmy bewunderten den Trick. Jeder Unwissende musste denken, dass es sich um eines regulär langweiliges Fest handelte. Seit der deutschen Niederlage bei Stalingrad war das Tanzen in der Öffentlichkeit nicht mehr gestattet.
    „Kommt doch kurz mit“, sagte Robert. „Alle werden dort sein.“
    „Wir wollten ... wir haben uns mit Maries Vater verabredet“, sagte Jimmy, der unruhig wurde.
    „Wo hast du die tollen Khaki-Hosen her?“, wollte Eva von Marie wissen.
    „Die gehören meinem Vater“, sagte Marie lachend. Dann schwieg sie plötzlich. Sie merkte, dass sie ihm die Hosen nicht würde zurückgeben können, und suchte den Blickkontakt mit Jimmy, der auf die kleine Einladungskarte schaute.
    „Ich glaube, wir gehen. Marie und ich haben noch was vor.“
    Er lächelte sie an und Robert und Eva nickten vielsagend.
    „Ach, nun kommt!“, sagte Eva. „Is nich weit von hier. Viertelstunde, dann seid ihr wieder vereint. Isses nich schön ... so junges Glück?“
    Sie mussten lachen und dann folgten Marie und Jimmy Robert und Eva durch den Abend. Marie mochte Eva, sie war warmherzig und attraktiv, und ihr dunkler Pagenschnitt und ihre braune Haut zogen sie an. Sie fragte sich, ob das normal war und was Jimmy wohl zu ihrem Gefühl sagen würde. Mit einem Ohr hörte sie, wie Jimmy und Robert von einem Mann in Berlin sprachen, der amerikanische Kurzfilme und Cartoons hatte, in denen die Zeichentrickfigur Betty Boop auf den Swing-König Cab Calloway traf, und aus heiterem Himmel war Marie plötzlich rundherum glücklich und fragte sich, weshalb sie nach Amerika auswandern sollte. Vielleicht würde es ausreichen, mit Jimmy nach Hamburg zu ziehen? Es gab so viele Leute in ihrem Alter hier, die nichts mit dem Regime zu tun haben wollten, die Politik einfach ignorierten und ihr Leben weiterzuleben schienen. Hier, in diesem abendlichen Spaziergang mit Jimmy und den andern schien sie mit einem Mal alles zu finden, was ihr wichtig war. Ohne nachzudenken, hakte Marie sich bei Eva unter und lief an den Jungen vorbei in die Dunkelheit.
    Als sie am verdunkelten » Atlantic « ankamen, öffnete sich die Lobby des alten Grand Hotels mit ihrer dunklen Holzverkleidung, den dicken Teppichen und Kristalllüstern unter der Decke wie eine Schatzhöhle. Robert und Eva bewegten sich ganz selbstverständlich in dieser Welt, in der all ihre Bewegungen und Äußerungen unwichtig zu werden schienen und gedämpft oder verschluckt wurden. Ohne mit der Wimper zu zucken, zeigte Robert dem Rezeptionisten die Einladungskarte, der auf einen Gang zu seiner Rechten deutete.
    „Ein paar von unseren Freunden sind an die Front einberufen worden“, sagte Robert leise zu Marie.
    „Von jetzt an wird es für alle nur noch schlimmer. Ich wünschte, ich könnte abhauen“, sagte Eva.
    Robert nickte. Marie wechselte einen schnellen Blick mit Jimmy, doch der ließ sich nichts anmerken. Sie hatten beschlossen, niemanden in ihren Plan einzuweihen. Dabei sollte es bleiben.

    [3307]
    Edda warf ein Stück Holz in den Kamin. Ein paar kleine Flammen züngelten daran empor. Sie waren mit dem Tee in das Wohnzimmer zurückgekehrt. Immer noch lag hier die Vergangenheit Maries ausgebreitet auf dem Boden. Immer noch war Edda fasziniert von Maries Erzählungen und den vielen Dokumenten, die sie untermalten.
    Marie erzählte weiter, dass kurz darauf Ehlers mit einem seiner Leute im » Atlantic « eintraf und der Concierge die Uniformierten mit ratlosem Gesicht auf einen kleinen barocken Saal mit Flügeltüren verwies, in dem ein paar Senioren einen Foxtrott über das Parkett schoben, während im Hintergrund eine gelangweilte, vierköpfige Combo vor sich hinspielte.
    Ehlers ging wieder.
    Ausgelassen tobten Marie und die anderen den Gang hinunter und eine halbe Treppe hinauf, bis sie vor einem großen Saal ankamen, vor dessen hohen Türen das in Metall gerahmte Einladungskärtchen auf seinem Ständer stand. Als Jimmy und Marie die Tür aufstießen, trauten sie ihren

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