ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
einem kleinen Tisch und lachten und lachten.
Und keiner der anderen Gäste begriff, was das sollte.
[3313]
„Die Lütte? Nee, die is man nich da“, sagte Maries Nachbarin zu dem Paketboten. Er hatte bei ihr geklingelt, weil nebenan in Maries Haus am Meer niemand aufgemacht hatte.
„Sie können das Paket auch mir geben“, sagte die Nachbarin. Doch der Bote bestand auf einer Unterschrift von Edda Wilding, um ihr eine wichtige Sendung aushändigen zu können. Er sagte, er würde morgen wiederkommen. Da schüttelte die Nachbarin den Kopf. Soviel sie wusste, hatte sich Edda für länger verabschiedet. Ein Freund von ihr war wohl gestorben ... da musste sie sich irgendwie kümmern. Genaueres wusste die Nachbarin aber auch nicht. Sie war ja schließlich nicht neugierig, sagte sie. Aber sie glaubte „Köln“ verstanden zu haben.
Von seinem Wagen aus rief der Bote in Berlin an und Greg meldete sich. Er stand mit nacktem Oberkörper vor einem Spiegel und betrachtete den Fleck auf seiner Haut. Er war gewachsen. Greg ließ sich von der Meldung aus Cuxhaven ablenken und zog sein Hemd wieder an. Vor achtundzwanzig Stunden hatte er von Ono den Auftrag bekommen, die drei Personen zu finden, die von der Plattform entkommen und bis nach Cuxhaven gelangt waren. Vor ihm lagen die Fotos von Edda, Sudden und Simon. Birdsdale hatte sie gemailt, und Greg konnte sich nur schwer vorstellen, dass den dreien ihre Flucht ohne fremde Hilfe gelungen war. Er war gewappnet, den Kampf nicht nur mit den drei Jugendlichen aufzunehmen, und hatte zwei Männer zu den Adressen von Edda und Simon geschickt, die er über das gene-sys- Archiv sofort herausbekommen hatte. Dass Edda nicht mehr in Cuxhaven war, verwunderte Greg nicht. Ihr musste klar sein, dass man ihr auf den Fersen war. Schließlich war sie eine Zeugin für das, was auf der Plattform geschehen war.
Greg rief seinen Informanten in Mannheim an, und es dauerte nicht lange, da bekam er von ihm die Meldung, dass auch Simon dort verschwunden war.
„Köln“, sagte Greg nach kurzer Überlegung zu seinen Söldnern. „Ich glaube, diese Nachbarin hat richtig verstanden.“ Was ihn so sicher machte war die Tatsache, dass der Dritte im Bunde, der tote Linus, aus Köln stammte. Nach kurzer Recherche von seinen Mitarbeitern war klar, dass Linus tatsächlich in Köln begraben worden war.
„Wie sentimental“, sagte Greg. „Sie sind nach Köln.“
Er wies seine Spezialisten an, die öffentliche Überwachung dort sofort anzuzapfen und zu schauen, ob die Kameras Edda und Simon im Umkreis des Friedhofes aufgezeichnet hatten.
Es dauerte nicht lange, dann lagen Greg verschiedene Kameramitschnitte vor. Der interessanteste zeigte Edda und Simon auf dem Bahnsteig von Gleis 2. „Gestern, 13.39 Uhr“ verriet die Zeitanzeige.
„Wohin fährt der Zug ab Köln, Viertel vor zwei?“, fragte Greg seine Leute.
„Berlin“, sagten die nach kurzer Recherche. Greg grinste.
„Sie sind also hier ...“ Er überlegte und konnte diese Tatsache noch nicht recht einordnen. „Entweder die sind komplett verrückt oder unglaublich mutig ...“
[3314]
Als der ICE mit Edda und Simon im Hauptbahnhof von Berlin einrollte, blieben sie noch auf ihren Plätzen, bis sich der bunt beleuchtete Bahnsteig vor ihrem Fenster fast geleert hatte. Den ganzen Tag über hatte die Sonne geschienen und die Gesichter der Menschen gewärmt. Der Winter, der das Land seit Wochen fest unter seiner Knute gehabt hatte, schien mit einem Mal endlich vorbei, und für einige Stunden war auf den trostlos gefurchten Gesichtsfassaden der Menschen plötzlich so etwas wie Hoffnung aufgetaucht. Mit dem Einbruch der Dunkelheit war sie allerdings schnell wieder verschwunden und die üblichen griesgrämigen Berliner Gesichter waren hervorgetreten. Es war, als warteten die Menschen auf ein Wunder, dachte Simon. Etwas, das sie von außen retten und ihrem Leben einen Sinn geben könnte. Wie die Sonne. Doch während sie innerlich warteten, hasteten sie weiter, durch das Abteil, den Zug, den Bahnhof, ihrem nächsten Ziel entgegen, starrten auf ihre Smartphones, als wären es Orakel, ohne auch nur einen Moment bei sich zu bleiben und zu erkennen, dass im Augenblick eigentlich alles in Ordnung war.
Aber war es das wirklich?
Oder waren die Menschen am Ende nur so besorgt und verzweifelt, weil sie spürten, dass etwas sie bedrohte, sie aber nicht wussten, was es war?
Simon und Edda hatten am eigenen Leib erfahren müssen, dass es diese Bedrohung
Weitere Kostenlose Bücher