ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
Hausflur getreten war. Wie dieses seltsame alte Haus sie verzaubert hatte. Wie sie traumgleich dem Mann gefolgt war, der sie an Bernikoff erinnert hatte. Wohl ahnend, dass er sie zu einem Kapitel ihrer Geschichte führen würde, das damals niemand für möglich gehalten hatte.
„Lagst nicht ganz falsch“, sagte Simon. „Schließlich sind wir über ihn und Schifter auf die Plattform gelangt.“
„Ich bin einfach den Zeichen gefolgt“, sagte Edda. „Und wir haben Verbündete gefunden, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten, dass es sie überhaupt gibt.“
„Und jetzt sind nur noch wir beide übrig“, sagte Simon finster.
Bei dem ersten Haus war die Tür zum Dach verschlossen, doch schon bei dem zweiten hatten Edda und Simon Glück. Das flache Dach wurde zum Wäschetrocknen benutzt. Es lag zwar immer noch voller Schnee, doch von hier konnten sie auf das Dach des Hauses gelangen, in dem Bixby als Meyrink gelebt hatte.
Etwa auf der Hälfte des Weges blieben sie stehen und schauten auf die riesige Stadt, die unter ihnen lag, die Plattenbauten, die Spree und in der Ferne der Teufelsberg, wo ihre Geschichte begonnen hatte. Edda legte ihre Arme um Simons Hals und zog ihn an sich. Seine Hände wanderten unter ihre Daunenjacke und fuhren an ihrem Rücken und ihrem Hintern herab.
„Ich liebe dich“, sagte er glücklich.
Sie küsste ihn.
„Seit wann das denn?“
„Seit du mit Thorben im Zelt verschwunden bist ...“
„Ey!“, sagte sie leise. „Ich wollte nur, dass er diesen blöden Aufsatz für mich zusammenfasst.“
Im Mondlicht sah Simon die kleinen Sommersprossen und die abgeschnittenen Haare, die ohne jede Fasson um Eddas Kopf herumwucherten.
„Wenn wir den Augenblick erleben könnten, wie er ist, und nicht dauernd an die Zukunft oder an die Vergangenheit denken würden, wäre die Zukunft überhaupt kein Problem, hast du gesagt.“
Edda lachte. „Das hast du dir gemerkt?“
„Da habe ich das erste Mal gewusst, dass ich dich liebe.“
Edda zog ihn näher an sich und küsste ihn. Dann spürte sie die Pistole unter Simons Jacke.
„Gehen wir“, sagte er und machte sich los.
„Lass das Ding hier. Bitte, Simon.“
Simon stapfte wortlos voran.
Als sie auf Bixbys Dach ankamen, war die Tür zum Dachboden verschlossen, doch es dauerte keine zwei Minuten, da hatte Simon sie mit dem Taschenmesser geöffnet. Weder er noch Edda sahen die kleinen Überwachungskameras und bemerkten, dass in Bixbys Wohnung das Licht gelöscht wurde.
Sie horchten in den Hausflur, aus dem kein Geräusch zu ihnen drang. Leise stiegen sie die Stufen hinab.
„Es gibt eine Zwischentür“, sagte Edda leise, „durch die man in die Wohnung kommt.“ Sie deutete auf die kleine Pforte, die auf dem Treppenabsatz zwischen den Stockwerken kaum zu erkennen war, weil sie jemand in der gleichen Farbe wie den Hausflur gestrichen hatte. Simon drückte die Klinke herab. Die Tür blieb verschlossen.
„Du musst nicht durch die Tür gehen! Wichtig ist, dass du dort ankommst, wohin du willst“, flüsterte Edda plötzlich.
Edda näherte sich der mit Farbe verklebten Tür und wollte sich konzentrieren, als sie merkte, dass sie sich einfach aufstoßen ließ.
„Das ist ’ne Falle“, flüsterte Simon.
Vorsichtig stieß Edda die Tür weiter auf. Sie wusste, dass dahinter eine kleine Treppe in einen schmalen Flur führte und von dort in das große Zimmer mit den verkleideten Wänden und der Wendeltreppe. Edda horchte in die Dunkelheit. Dann spürte sie Simons Hand auf ihrer Schulter.
„Mach Licht.“
Eddas Finger suchten nach einem Lichtschalter. Fanden ihn. Sie drehte ihn. Kein Licht. Sie drehte wieder und wieder. Doch es blieb dunkel.
„Jemand hat die Sicherung rausgenommen“, flüsterte Simon.
„Oder die Glühbirne ist kaputt. Komm weiter!“
Sie sahen das Mondlicht, das durch die hohen Fenster in den friedlich daliegenden Raum mit seinen Computerbildschirmen fiel.
„Hier ist niemand.“
Plötzlich sprang ein Screensaver an.
„Zurück!“, schrie Edda und wollte die kleine Treppe hinauf zurück in den Hausflur. Doch der war plötzlich versperrt. Eine dunkle Gestalt drängte Edda entgegen und warf sie zu Boden, während aus dem Dunkel des Ganges jemand mit einem Baseballschläger auf Simons Kopf zielte und ihn nur knapp verfehlte.
„Waffe weg!“, schrie die Gestalt auf dem Flur.
Simon riss den Schläger an sich und mit einem Tritt beförderte er seinen Besitzer zu Boden. Dann richtete er die Pistole auf
Weitere Kostenlose Bücher