Abaton
zurück.“
„Wär gut, wenn du trotzdem kommst“, sagte Linda und da sie so ein Geheimnis draus machte, beschloss Edda, am Telefon nicht weiter nachzubohren, sondern zu ihr zu fahren.
„Okay“, sagte sie und legte auf. Sie ging zu ihrer Großmutter in die Küche, die gerade Kartoffeln aufsetzte.
„Ich fahr noch mal kurz zu Linda.“
„Heute Abend bin ich bei einer Lesung in der Stadt. Wenn du Lust hast, lad doch Linda zu uns ein. Dann bist du nicht allein.“
„Nee, die darf nicht weg.“
„Dann stell ich dir die Kartoffeln zum Warmhalten ins Bett. Ich hab jetzt nämlich Hunger!“
Edda lächelte und küsste Marie auf die Wange. Dann holte sie ihr Rad aus dem alten, windschiefen Schuppen, der sich müde ans Haus lehnte, und schob es bis zur Straße. Hinter ihr klimperten Maries »Glasharfen«. So nannte sie ihre gläsernen Fundstücke, die sie nach einem Gewitter am Strand sammelte. An den Stellen, wo der Blitz in den Sand eingeschlagen hatte, bildeten sich durch die enorme Hitze aus dem Quarzsand bizarre Glasstäbe, die senkrecht in die Tiefe wuchsen. Die buddelte Marie vorsichtig aus und hängte sie an Nylonfäden nebeneinander auf. Im Wind schlugen sie leise aneinander und spielten mit jeder Böe eine neue zarte, zerbrechliche Melodie. Edda blieb kurz stehen und hörte zu. Zum ersten Mal nahm sie wirklich wahr, wie schön, wie fremd diese Klänge waren ...
Es war mühselig, über den Sandweg zu fahren, und als Edda endlich die asphaltierte Straße erreichte, wehte plötzlich vom Meer her ein starker Wind. Sie musste kräftig in die Pedale treten, um von der Stelle zu kommen. Als Edda nach einer halben Stunde bei Linda eintraf, war ihr Haar zerzaust.
„Wegen Marco, oder?“, sagte Edda, als sie Lindas Miene sah. Auf dem Weg zu ihrer Freundin hatte sie die ganze Zeit überlegt, was diese ihr so Wichtiges mitzuteilen hatte, und ihr war keine bessere Erklärung eingefallen.
Linda nickte.
„Hey, du musst jetzt stark sein!“ Sie legte Edda die Hand auf die Schulter. „Der geht mit Sophie!“
„Waaaas?“ Edda konnte es kaum fassen. Die magersüchtige Sophie?
„Und jetzt halt dich fest.“ Linda machte eine theatralische Pause und es gelang ihr, ihre Sensationslust hinter Mitgefühl zu verbergen. „Die haben miteinander gepennt!“
Edda starrte Linda an. Sie brauchte eine Weile, um das Gesagte zu begreifen. „Woher willst du das wissen?“, fragte sie schließlich. Ihr wurde schlecht.
„Sophies Schwester hat’s mir gesteckt. Beim Kung-Fu am Samstag.“ Linda schaute wie ein Tatortkommissar, wartete ab, was für eine Reaktion ihre Worte bei Edda hervorriefen. Als sie sah, dass Edda nicht in Ohnmacht fiel, redete sie weiter und erklärte die genauen Umstände.
„Aber wieso ausgerechnet Sophie? Wenn er ... Wieso ist er nicht ins Camp ...?“ Sie unterbrach sich. „Deshalb ist er nicht ins Camp gefahren?“
Linda drückte Edda entschieden aufs Bett und sah ihr mit festem Blick in die Augen. Dann klappte sie ihren Laptop auf und zeigte Edda Sophies Facebook-Seite. Sophies Beziehungsstatus lautete „In einer Beziehung“ und Marco Jörning war als Sophies Partner gelistet. Das Gleiche bei Marco. Bei beiden Profilen gab es ein Fotoalbum mit Bildern von den beiden Frischverliebten. Auf jedem Foto trug Sophie die Klamotten, die Edda mit ihr gekauft hatte. Sie war in Eddas Stil gekleidet, trug ihren Lippenstift, selbst die Haare hatte sich Sophie wie Edda machen lassen. Und Sophie sah gut aus; aber das behielt Edda jetzt lieber für sich.
„Mich gibt’s gar nicht mehr“, sagte Edda nach einer Weile mit tonloser Stimme. Sie hatte das Gefühl, als löste sich der Boden unter ihren Füßen auf.
„Kein Wunder! Die Alte hat dich einfach kopiert“, erboste sich Linda. „Das ist so was von asozial!“
Edda griff nach ihrem Handy.
„Lass das!“
Linda riss Edda das Handy aus der Hand und warf es aufs Bett.
„Jetzt mach dich bloß nicht zum Totalhorst!“
Edda sah ein, dass es keine gute Idee war, hinter Marco herzulaufen.
„Und du bist sicher, dass sie Sex hatten?“, fragte Edda und Linda nickte finster.
„Hässliche Kröten wie Sophie haben doch gar keine andere Wahl, als bei erstbester Gelegenheit die Knie hinter die Ohren zu klemmen.“
Edda brauchte einen Augenblick, um dieses Bild wieder aus ihrem Kopf zu verscheuchen.
„Ich bin so froh, dass du wieder hier bist. Ich hab’s kaum ausgehalten!“, sagte Linda seufzend.
Edda nickte.
„Vielleicht hat er sich ja bloß
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