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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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des Dorfes war und neben dem eigentlichen Genossenschaftszweck einen Teil
     der dörflichen Infrastruktur finanzierte. »Ich sehe nicht ein, dass wir jetzt dafür bezahlen sollen.«
    Es bestand kein Zweifel, dass die Altschuldenbank, bedrängt von den Beamten des Bundesfinanzministeriums, nichts unversucht
     lassen würde, die Ablösesumme möglichst in die Höhe zu treiben. Sollten sie also mit Blick auf die Nachverhandlungen ein möglichst
     geringes Eröffnungsangebot unterbreiten, damit sich dann beim Pokern um den Ablösebetrag ein möglichst großer Spielraum eröffnet?
     Oder sollten sie das Ganze doch besser aufrichtig angehen und eine Summe nennen, für die sie gerade noch aufkommen konnten,
     ohne fürchten zu müssen, dass sie das Angebot wirtschaftlich ruinierte? »Das ist ein richtiger Kuhhandel«, schimpfte Michael
     Constien. »Am Ende verliert noch einer die Nerven und sagt: Ihr könnt mich alle mal, ich geh vors Gericht!«
    Aber das wollte eigentlich niemand. Irgendwie, hofften Michael Constien, Gabriele Brümmer und Holger Millahn, würde man sich
     schon einigen. Wenn es nur diese Unsicherheiten nicht gäbe. In der Landwirtschaft lassen sich künftige Einkommensentwicklungen
     nur schwer vorhersehen, da bleiben immer Risiken, seien es der von der Witterung abhängige Ertrag, Änderungen bei Marktpreisen
     und Subventionsrichtlinien. »Es ist natürlich so«, gab Holger Millahn zu bedenken, »dass das Ablöseangebot eingereicht wird,
     bezahlt wird, und zum Schluss bleibt der Betrieb mit den künftigen Risiken allein.«

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|69| Der Running Gag
    Denn das ist doch das Ungeheuerlichste:
    Diesen Einheimischen, Deutschen wie wir,
    gestatten Sie gnädigst,
    im völlig aussichtslosen Wettbewerb
mit uns nicht Ausgeplünderten,
    sondern Nachkriegsgewinnlern,
    sich um ihr eigenes Land neu zu bewerben!
     
    Rolf Hochhuth: Wessis in Weimar.
    Szenen aus einem besetzten Land
    Für einen solchen Verkehr waren die Straßen im Beitrittsgebiet nicht ausgelegt. Schwerlasttransporter quälten sich in endlosen
     Staus über die schmalen, schlecht ausgeschilderten Straßen. Die Fahrer ertrugen das Poltern der Schlaglöcher und bangten,
     dass ihnen nicht der Ast eines Alleebaumes den Ladecontainer fortriss. Sie lieferten Nahrungsmittel, Kleidung, Haushaltsgeräte,
     Maschinen, Baumaterial – alle nur erdenklichen, im Westen produzierten Waren, die in bunten, zum Kauf animierenden Aufmachungen
     daherkamen und den Reiz des Neuen verströmten. Die Nachfrage war überwältigend. Aus dem Westen angereiste Handelsvertreter
     klopften ungehalten mit den Fingern aufs Lenkrad, wenn sie der Verkehr aufhielt und ihnen in der Hektik, wo die Schnellsten
     die besten Geschäfte machten, eine unerträgliche Langsamkeit aufgezwungen wurde. Wenn sie Pech hatten, war schon jemand vor
     ihnen da, vielleicht entging ihnen genau in dem Moment, da sie schon wieder seit einer Ewigkeit nur im Schritttempo vorankamen,
     ein lukratives Provisionsgeschäft. Immobilienmakler plagten sich, während sie notgedrungen im Stau warteten, mit diesen damals
     noch recht monströsen Mobiltelefonen und versuchten lautstark, jemanden zu erreichen, damit der Besichtigungstermin für eine
     Immobilie um zwei oder drei Stunden verschoben werden konnte. Sie spekulierten auf ein stadtnah gelegenes Betriebsgelände,
     auf dem nichts mehr produziert wurde. Möglicherweise ließ sich die marode Bausubstanz ja abreißen und auf dem Gelände ein
     Einkaufs- und Bürocenter |70| samt Tankstelle und Hotel errichten und gewinnbringend vermieten.
    Nicht weniger eilig hatten es die Erben von Alteigentümern, die alte Familienbesitzungen in Augenschein nehmen wollten, die
     sie bislang nur von vergilbten Schwarzweißfotos oder vom Hörensagen der verstorbenen Großeltern kannten. Wer hätte sich denn
     zu Zeiten der deutschen Teilung vorstellen können, dass die neuen, über Jahrzehnte etablierten Eigentumsverhältnisse mit einem
     parlamentarischen Federstrich revidiert werden und sich das Rad der Geschichte noch einmal rückwärtsdrehen würde, bis zum
     Kriegsende und zum Beginn der sowjetischen Besatzungszeit. Erst später, auf Druck aus Amerika, mussten auch die während der
     Zeit des Nationalsozialismus, meist jüdische Familien betreffenden Enteignungen berücksichtigt werden. Es gab zahllose Fälle,
     dass ein Grundstück zwischen 1933 und 1972 dreimal enteignet wurde – unter den Nazis, während sowjetischer Besatzungszeit
     und noch einmal zu

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