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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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und Hülsenfrüchten
     hergestellt und in alle Welt exportiert wurden –, dass jenes traditionsreiche Werksgelände »von Altlasten beräumt« und Immobilienspekulanten
     überlassen werden sollte. »Die jahrelange Kundschaft«, sagt Lothar Bley, »hat das auch nicht glauben wollen.« Er redete mit
     der inzwischen von 900 auf nur noch 210 Mitarbeiter geschrumpften Belegschaft und fand vier Mitstreiter. Gemeinsam überlegten
     sie, wie sich die Mühlenwerke weiterführen ließen und wandten sich mit der Frage an den Liquidator, ob er »erlauben würde,
     dass wir das hier eigenständig weitermachen?«. Es war eine bange Frage. Bei all den Problemen, die inzwischen auf den Mühlenwerken
     lasteten, war es wohl eher |102| eine Befürchtung als die Hoffnung, Ottmar Hermann könnte zustimmen. Und so kam es tatsächlich, der Liquidator stimmte zu,
     sollten sie es doch versuchen, allerdings, darüber müssten sie sich immer im Klaren sein, es gebe »keine müde Mark«.
    Daraufhin redete Lothar Bley mit den Geschäftspartnern in aller Welt und sagte ihnen: »Uns gibt es noch, wir machen weiter!«
     Dann mussten Geldgeber gefunden werden. Lothar Bley interessierte zwei Geschäftsleute mit »Osterfahrung«, Helmuth Benz und
     Bernd Tiedig, für die Mühlenwerke. Die beiden Unternehmer hatten in Westberlin bis zur Wende kleinere Firmen geleitet und
     konnten seitdem durch die Chancen, die sich westlichen Geschäftsleuten im Beitrittsgebiet boten, gewaltig an Größe zulegen.
     Beide erklärten sich bereit, mit der Treuhandniederlassung um den auf 6,6 Millionen Mark festgelegten Kaufpreis zu verhandeln
     und im Falle einer Übereinkunft als Gesellschafter bei den Mühlenwerken einzusteigen.
    Als sich abzeichnete, dass die Belegschaft das Unternehmen retten könnte, plädierte der Liquidator bei der Treuhandfiliale
     in Halle für die »Einstufung als wieder sanierungswürdig«. Ottmar Hermann setzte sich bei einer Zusammenkunft des Lenkungsausschusses
     in Szene, referierte über die Historie und die Marktchancen der Mühlenwerke und verkaufte den staunenden Filialmitarbeitern
     die Rettung des Unternehmens als das Ergebnis seiner siebenmonatigen, harten Sanierungsarbeit. Die Treuhandmitarbeiter waren
     irgendwie gerührt. In einer Gegend, in der sie wild die Sense schwangen, keimte ein Saatkorn. Sie fuhren von Halle nach Wittenberg,
     und als sie mit eigenen Augen sahen, dass sich bei den Mühlenwerken doch noch etwas regte, stimmten sie der »Einstufung als
     wieder sanierungswürdig« zu.
    Lothar Bley, der die Mühlenwerke fortan leitete, erhielt keinen Einblick in die Kaufverhandlungen. Letzten Endes, meint er,
     hätten die Gesellschafter nach den Verhandlungen nur noch 1,6 Millionen D-Mark für den Unternehmenskauf aufbringen müssen.
     Der Start für die am Ende noch 110 übernommenen Mitarbeiter hätte ungünstiger kaum sein können. Keine Förderung, keine Kredite,
     sondern ganz im Gegenteil die Belastung durch einen »Betriebsmittelkredit«, |103| der mit dem Kaufpreis verrechnet worden war und jetzt das Unternehmen belastete. Der Kredit musste sozusagen in Form von Garantieleistungen
     und Sanierungsarbeiten abgearbeitet und laufend gegenüber der Treuhandanstalt abgerechnet werden. »Und dann«, erzählt Lothar
     Bley, »war etwas ganz Dummes passiert.« Im Hinblick auf die anstehende Liquidation hatten die Gewerkschaften noch in aller
     Eile Lohnerhöhungen durchgesetzt. Nach dem letzten Verdienst richtete sich die Höhe des Arbeitslosengeldes. »Die Einstufungen
     lagen 2 bis 3 Lohngruppen über denen in vergleichbaren westdeutschen Unternehmen.« Am Ende war es die Belegschaft selbst,
     die ihn zum Durchhalten ermutigte, selbst »wenn kein Geld für Löhne da war und alle warten mussten, bis wir wieder Einnahmen
     hatten«.
    Und dann, das war 1994, gewannen die Mühlenwerke die Ausschreibung für einen Großauftrag in Syrien. Es ging um den Bau von
     fünf Getreidemühlen, jede mit einer Tageskapazität von 500 Tonnen Weizen. Es sollten nicht nur die Maschinen geliefert und
     in Betrieb genommen werden, der Vertrag umfasste auch die gesamte Infrastruktur von den Getreidesilos über die Transformatoren-
     und Dieselgeneratorstation, Wasseraufbereitungsanlage, Verwaltungsgebäude, Wohnhäuser für die Beschäftigten und deren Familien,
     und selbst die Ausbildung des Mühlenpersonals war Teil der Vereinbarung. Alles in allem belief sich das Auftragsvolumen auf
     die Summe von 200 Millionen D-Mark. Dann folgten

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