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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Abfindung belief sich im Durchschnitt auf 5 000 D-Mark für den entlassenen Mann und die nach Hause
     geschickte Frau. Im alten Bundesgebiet lag der höchstrichterlich festgelegte Abfindungsbetrag mehr als sechsmal so hoch.

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|106| Zero Reset
    Mit Beginn des Jahres 1992 wurden in den Büros der Treuhanddirektoren und in den Fluren der Geschäftsstellen Grafiken aufgehängt,
     die den Erfüllungsstand der Privatisierungsarbeit dokumentierten. Es handelte sich um bunte Diagramme, die in der Berliner
     Zentrale statistisch aufbereitet und monatlich aktualisiert wurden. Die Darstellungen veranschaulichten die Zahl der Privatisierungen,
     Teilprivatisierungen und Reprivatisierungen, dazu kamen die Liquidationen, differenziert nach gemeldeten und bereits eingeleiteten.
     Besonders verdeutlicht wurden die unerledigten Unternehmensfälle, im Verhältnis von Restbestand zu Bruttobestand, und das
     immer im Vergleich für die Situation in den 18 Direktoraten der Berliner Zentrale und in den 15 Niederlassungen. Jetzt wurde
     auf einen Blick sichtbar, wo jeder einzelne, mit Privatisierungen beschäftigte Treuhandbereich stand. Untereinander herrschte
     eine Rangordnung, die derjenige für sich entschied, der seinen Unternehmensbestand am schnellsten abbaute.
    Spätestens seit Mitte des Jahres 1991 koordinierte die Berliner Treuhandzentrale den beschleunigten Ausverkauf. Zu Beginn
     der zweiten Jahreshälfte wurden die Niederlassungen über den Zeitrahmen in Kenntnis gesetzt. Zielvorgabe für den Ausverkauf
     war der 30. September 1992. Bis zu diesem Zeitpunkt, hieß es, sind die Treuhandunternehmen entweder »abverkauft oder liquidiert«.
     Es blieb also gerade noch ein Jahr Zeit. »Crash-Kurs« war intern die gängige Bezeichnung für die nun folgende Privatisierungstortur,
     die von der Zentrale immer hektischer vorangetrieben wurde und gegen Ende der Zielmarke zu einem »Prozess des sich selbst
     Abwickelns« eskalierte. Zu diesem Zeitpunkt mussten immer noch mehrere tausend Betriebe verkauft oder liquidiert werden. Sofort
     begann ein unwürdiges Gerangel. Unternehmen wurden zwischen Niederlassungen und Zentrale hin- und hergeschoben. Die Zentrale
     fühlte sich nur für Betriebe mit mehr als 1 500 Beschäftigten zuständig, doch wegen der immer schneller aufeinanderfolgenden
     Kündigungswellen konnten Betriebe, die heute noch |107| im Unternehmensbestand der Zentrale auftauchten, schon morgen in die Zuständigkeit der Außenstellen fallen.
    Als der Stichtag feststand, an dem der Unternehmensbestand entweder verkauft oder liquidiert sein musste, kündigte die Personalabteilung
     einem Großteil der Treuhandmitarbeiter schriftlich an, dass ihr Beschäftigungsverhältnis in sechs bis acht Monaten enden würde.
     Obwohl allen klar sein musste, dass es sich um eine endliche Aufgabe handelte, sorgten die Ankündigungen für Unruhe in der
     Belegschaft. Damit die Motivation nicht erlahmte, ließ sich die Zentrale das so genannte »Hay-Konzept zur variablen Vergütung«
     einfallen. Die Anstalt lobte Prämien aus, damit, wie es in dem Konzept hieß, »durch die gemeinsame Zielsetzung Kooperation
     und Teamgeist gestärkt werden«. Die Zielprämie für einen Direktor sollte sich bei Planerfüllung zum 30. September 1992 auf
     44 000 Mark belaufen und für den Fall, dass »das Ziel bis zu einer Monatsleistung übererfüllt« wurde, sogar auf 88 000 Mark
     verdoppeln.

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Die Braut möge sich schmücken
    Der Aufstieg von Karl-Heinz Rüsberg zum schnellsten Privatisierer und schillerndsten aller Treuhanddirektoren begann mit einer
     persönlichen Niederlage. Seine Bewerbung wurde abgelehnt. Dabei konnte der damals 58 Jahre alte »Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtschafts-Ing.«
     und Fachbuchautor (›Praxis des Projekt- und Multiprojektmanagements‹) Erfahrungen als Geschäftsführer der Getriebewerke Jahnel-Kestermann
     vorweisen, eines in Bochum ansässigen mittelständischen Unternehmens. Die Enttäuschung muss groß gewesen sein. Gleich nach
     der Wende besuchte Rüsberg seine Heimatstadt Wittstock in Brandenburg, die er noch vor Gründung der DDR – damals war er noch
     ein Kind – zusammen mit der Mutter verlassen hatte. Seine Heimkehr nach mehr als vier Jahrzehnten inspirierte ihn zu einem
     ungewöhnlichen Projekt. ›Vision zur Wittstocker Seen-Heide als Erholungs-, Ferien und Naturpark‹ hieß der Titel des Wirtschaftsentwicklungskonzepts, |108| für das er sich vorausschauend die Namensrechte sichern ließ. Zur

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