Abbau Ost
Aufträge in Ägypten, im Iran, in China, Kasachstan und Turkmenistan. Dennoch
konnte sich das angeschlagene Unternehmen nie wieder ganz erholen. Marktführer und zugleich Hauptkonkurrent war das in der
Schweiz ansässige Unternehmen »Bühler« mit 6800 Beschäftigten. Im Wesentlichen verkaufte das Unternehmen Technologien, die
zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts oder zu DDR-Zeiten entwickelt worden waren. Um mithalten zu können, musste in Forschung
und Entwicklung investiert werden. Doch dafür hatten die Eigentümer kein Ohr. »Die dachten in kurzen Zeiträumen, die wollten
schnell Geld verdienen. Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien hielten die für Geldverschwendung.« Im Jahre 1997
spitzten sich die Auseinandersetzungen |104| mit den Gesellschaftern zu. Schließlich machten Helmuth Benz und Bernd Tiedig ein Verkaufsangebot. »Eigentlich«, sagt Lothar
Bley, »hatte ich nicht die Absicht, den Betrieb zu übernehmen.« Aber dann, 1998, im Alter von 58 Jahren, konnte er gemeinsam
mit dem Kaufmännischen Leiter Frank Theile das Geld auftreiben und die Gesellschafter auszahlen. Über den Kaufpreis möchte
er nicht reden. »Die haben sich«, sagt Lothar Bley ausweichend, »ihren Ausstieg noch einmal gut bezahlen lassen.«
Im März 2003 erklärte Lothar Bley seinen Austritt aus den Arbeitgeberverbänden, führte die 40-Stunden-Woche ein und korrigierte
die Lohn- und Gehaltseinstufungen. Seither gibt es nur noch 26 Tage Urlaub, Weihnachtsgeld wird nach Ertragslage gezahlt.
Proteste der Gewerkschaften und die Klage des Hauptkonkurrenten brachten die Mühlenwerke erneut in eine prekäre Lage. »Es
war keine vernünftige Lösung zu finden«, sagt Lothar Bley. Die Mühlenwerke mussten, elf Jahre nachdem die Liquidation in letzter
Minute abgewendet werden konnte, doch noch in die Insolvenz geführt und neu gegründet werden. Seitdem heißt das Wittenberger
Traditionsunternehmen »MMW Systems GmbH«.
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Die kritische Teilungsmasse
Der Treuhanduntersuchungsausschuss des Bundestages war bei seinen Nachforschungen im Laufe des Jahres 1994 auf horrende Anwaltshonorare
gestoßen, die von der Treuhandanstalt für Liquidationen gezahlt worden waren. Es handelte sich um so unglaublich hohe Summen,
dass man die Hinweise näher untersuchte und herausfand, dass Liquidatoren, ihren Abrechnungen zufolge, mitunter wochenlang
23 Stunden am Tag gearbeitet hatten und das nicht etwa nur an Werktagen, selbst an Sonn- und Feiertagen liquidierten sie unermüdlich
das der Treuhandanstalt zugefallene Volkseigentum. Der Stundensatz eines Anwalts betrug Anfang der 90er Jahre 250 D-Mark.
Spesen wurden noch extra abgerechnet. Manche dieser Anwälte stellten Hilfskräfte ein und liquidierten gleichzeitig zwei Dutzend
Unternehmen. Allein |105| die Berliner Treuhandzentrale beschäftigte 132 Liquidatoren. Bis Mitte des Jahres 1994 beliefen sich die gezahlten Honorare
auf 204 Millionen D-Mark. Die zehn aktivsten dieser Anwälte teilten sich allein 122 Millionen, mehr als die Hälfte der gesamten
Summe.
Treuhandchefin Birgit Breuel räumte später ein, dass sich die Arbeitszeit der Anwälte schlecht kontrollieren ließe. Ab Mitte
1991 zahlte die Treuhandanstalt keine Stundenhonorare mehr, sondern legte bei der Bezahlung die Vergütungsverordnung des westdeutschen
Konkursrechts zugrunde. Allerdings waren die Treuhandbetriebe gar nicht konkursreif. Grund für das Liquidationsverfahren war
nicht die typische Überschuldungssituation, viele der Betriebe verfügten ganz im Gegenteil über nennenswerte Vermögen und
wurden nur abgewickelt, weil ihnen Treuhandmitarbeiter und Honorarkräfte fehlende Marktchancen attestierten. Aus diesem Grunde
hatte man eine eigens auf die ostdeutschen Verhältnisse zugeschnittene »Gesamtvollstreckungsordnung« geschaffen. Bezeichnenderweise
wurden dabei die Vergütungsmaßstäbe westlicher Konkursverfahren angelegt, folglich richtete sich die Bezahlung nach der sogenannten
Teilungsmasse, die bei den Treuhandbetrieben oft weit über dem lag, was es bei Konkursen westdeutscher Firmen zu verteilen
gab. Wegen der hohen Teilungsmassen konnten die Konkursverwalter nun erst recht die Hände aufhalten, und das nicht etwa durch
kreative Stundenabrechnungen, sondern ganz legal.
Während sich die Liquidatoren schadlos hielten, gingen Millionen betroffener Arbeitnehmer beinahe leer aus. Die von der Treuhandanstalt
willkürlich festgelegte
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