Abbau Ost
finden, weil ihm die Einsicht in wichtige Akten verweigert wurde. Der Vorsitzende
Otto Schily kritisierte, dass die Untersuchungen von der Bundesregierung »in jeder nur erdenklichen Hinsicht behindert« wurden.
Schily sagte der ›Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung‹ in einem Interview, dass entscheidende Akten als »vertraulich –
nur für den Dienstgebrauch« eingestuft worden seien und deshalb bei den öffentlichen Anhörungen nicht zur Sprache kommen dürften
und er im Übrigen nicht verstehen könne, warum die Bundesregierung »alle Hebel in Bewegung setzt, um den Einblick in bestimmte
Unterlagen zu verweigern«. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte sogar vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesregierung
und den Bundesfinanzminister geklagt, allerdings ohne Erfolg, die Privatisierungsakten öffentlicher Unternehmen blieben der
Öffentlichkeit verschlossen, und das auf höchstrichterlichen Beschluss.
Schon im Vorfeld ließen die Bundesregierung und die Regierungen der ostdeutschen Bundesländer nichts unversucht, um den Treuhand-Untersuchungsausschuss
zu verhindern. Noch am 17. September 1993, dreizehn Tage, bevor der Ausschuss zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat,
wollten der Regierende Bürgermeister von Berlin und die Ministerpräsidenten der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen – die Mehrzahl von ihnen Verwaltungsratsmitglieder in den Treuhandniederlassungen – das parlamentarische Verfahren
stoppen. In einem gemeinsamen Brief an die SPD-Bundestagsfraktion warnten sie eindringlich, ein Untersuchungsausschuss »könne
die Arbeit der Treuhandanstalt und damit den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Bundesländer nachhaltig erschweren«. Die »Untersuchung
von Privatisierungs- und Sanierungsentscheidungen der Treuhandanstalt ziehe unweigerlich die Befassung mit dem geschäftlichen
Verhalten der Erwerber der entsprechenden Unternehmen nach sich«, und das möglicherweise zu einem Zeitpunkt, in dem die Umstrukturierung
dieser Betriebe noch im Gange ist. »Es dürfte auf der Hand liegen«, hieß es in dem Brief, »dass solche Untersuchungen und
die damit verbundenen |115| politischen Auseinandersetzungen auf nationale und vor allem internationale Investoren, auf deren Engagement wir weiterhin
dringend angewiesen sind, alles andere als ermutigend wirken.«
Die SPD setzte den Ausschuss dennoch durch, um letztlich an Aussageverweigerungen und fehlender Akteneinsicht zu scheitern.
Eine angemessene Beweisaufnahme sei oft nicht möglich gewesen, räumte Ausschussvorsitzender Otto Schily ein, da die Unions-
und FDP-Mitglieder mit Verfahrensmanövern erreicht hätten, dass überhaupt nur etwa die Hälfte der 214 Zeugen vernommen werden
konnten. Am Ende waren es die Berichte von Zeitzeugen, die den alltäglichen Wahnsinn noch einmal spürbar werden ließen. Besonders
eindrucksvoll schilderte Hannelore Krüger-Knief ihre Erfahrungen mit dem Privatisierungsgeschäft. Die auf Insolvenzverfahren
spezialisierte Rechtsanwältin mit Büros in Köln und Dresden war von der Treuhandanstalt mit mehreren Liquidationen beauftragt
worden. »Ich habe in allen diesen Unternehmen Fälle gesehen«, sagte die Konkursverwalterin vor dem Treuhand-Untersuchungsausschuss,
»dass alle, aber auch alle Spielregeln für eine regelgerechte Privatisierung verletzt worden sind. Ich muss zunächst alle
meine Unternehmen kennen, muss mir Kenntnisse über die Branche, über den Markt, über die Möglichkeiten und damit auch über
die möglichen Interessenten verschaffen. Dann muss ich, das ist wirklich das kleine Einmaleins, jemanden suchen, der über
die ausreichende Sachkunde verfügt, der also branchenkundig ist. Ich kann ein Unternehmen, das Glas herstellt, nicht privatisieren
an jemanden, der Burgen sammelt. Manche Dinge kann man durch Geld ersetzen, aber nicht alles. Ich habe nie gesehen, dass auch
nur eine dieser Spielregeln eingehalten wurde.«
Am Ende stellte sich heraus, dass nicht einmal formale Kriterien der Vertragsabwicklung eingehalten wurden. Investitionsversprechen
und Zusagen zum Erhalt von Arbeitsplätzen waren oft nicht verbindlich vereinbart worden. Nur etwa die Hälfte der angeblich
1,5 Millionen gesicherten Arbeitsplätze war auch tatsächlich an Vertragsstrafen gebunden. Vorkehrungen gegen das |116| Ausplündern verkaufter Treuhandunternehmen wurden nicht getroffen. Von den laut Treuhandanstalt zugesicherten
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