Abbau Ost
Aufgaben
der Treuhandanstalt« in Kraft. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits in seiner Sitzung am 9. August 1994 verabschiedet, knapp
drei Wochen, bevor die Abgeordneten den »Bericht des Untersuchungsausschusses ›Treuhandanstalt‹ nach Art. 44 des Grundgesetzes
zur Kenntnis« nahmen. Die »abschließende Erfüllung der verbliebenen Aufgaben« erledigte fortan nicht mehr die Treuhandanstalt,
sondern die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS). Es handelte sich um genau dieselbe Privatisierungsbehörde,
die keineswegs nur noch Restaufgaben erledigte, sondern immer noch einen großen Teil des früheren Volksvermögens im »Portfolio«
hatte. Aber das Kalkül ging auf, im öffentlichen Gedächtnis war die Nachfolgeeinrichtung nur noch eine Restaufgaben-Erledigungsanstalt,
die mit der Treuhandanstalt nicht viel gemein hatte. Mit der Umbenennung in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
hatten sich die öffentlichen Proteste und Anfeindungen erledigt. Mit dem Namen Treuhandanstalt verlor die unbewältigte Wut
Millionen Betroffener ihren Adressaten. Die wilden Jahre waren vorbei. Fortan organisierte sich die Bundesanstalt ihren ganz
normalen Behördenalltag.
In dem Maße, wie die Privatisierungsbehörde Personal abbaute, legte sie sich Tochtergesellschaften zu, von denen vor allem
zwei, die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft und die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft, das Privatisierungsgeschäft
fortführten. Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), heißt es im Bundesfinanzministerium, »verwaltet und verwertet
die ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen sowie Gebäude und Anlagen in den neuen Bundesländern
für die BvS (Treuhandgeschäft). Hauptaufgaben sind hierbei der Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, der Verkauf
von Bauboden für investive Zwecke sowie die |119| Objektverwaltung und das Vertragsmanagement.« Die zweite, unmittelbar mit Privatisierungsaufgaben betraute Ausgründung war
die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH, deren Geschäftszweck in der Vermarktung volkseigener Immobilien bestand. Zum BvS-Imperium
gehört weiterhin die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), die sich um die Sanierung der
stillgelegten Braunkohletagebaue in Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt kümmert. Neben den immensen Sanierungskosten,
die zu drei Vierteln vom Bund und zu einem Viertel von den ostdeutschen Braunkohleländern getragen werden, kamen allein zwischen
2003 und 2007, diesmal je zur Hälfte vom Bund und von den beteiligten Ländern, »200 Mio. Euro für Maßnahmen zur Abwehr von
Gefährdungen, die im Zusammenhang mit dem Wiederanstieg des Grundwassers stehen«. Eine weitere BvS-Tochter ist die Gesellschaft
zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH (GVV). Deren »Aufgabe ist die Stilllegung unwirtschaftlicher
Bergbaubetriebe des Kali-, Erz- und Spatbergbaus in den neuen Bundesländern, ferner die Verwahrung und Sicherung nicht nachnutzbarer
untertägiger Hohlräume, die Nutzung und Verwertung der durch den Bergbau entstandenen untertägigen Hohlräume sowie die Privatisierung
aller Vermögensteile. Die Verwahrarbeiten sind nach Bundesberggesetz (BBergG) sowie anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften
abzuarbeiten, damit von den Bergwerken auch zukünftig keine Gefahren ausgehen.« Und zu guter Letzt untersteht auch die Energiewerke
Nord GmbH (EWN) der Bundsanstalt. Deren »zentrale Aufgabe ist die Stilllegung und der Rückbau der Kernkraftwerke in Greifswald/Lubmin
(Mecklenburg-Vorpommern) und Rheinsberg (Brandenburg) sowie die Entsorgung der anfallenden radioaktiven Abfälle und der abgebrannten
Brennelemente«. Die Kosten belaufen sich auf 3,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010, dann werden die Energiewerke Nord »die
Aufgabe im Wesentlichen erledigt haben; das Zwischenlager Nord wird dann noch einige Jahrzehnte von der Tochtergesellschaft
ZLN GmbH weiter betrieben werden«.
Es ist nicht bekannt, dass sich irgendjemand empört hätte, weil |120| der Verkauf des Volksvermögens nun von privatwirtschaftlich aufgestellten Unternehmen wie der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft
mbH und der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH fortgeführt wurde. Zwar unterstanden die Tochtergesellschaften der Aufsicht
des Bundesfinanzministeriums, doch prinzipiell konnte ein
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