Abbau Ost
Investitionen
in Höhe von 200 Milliarden D-Mark waren bis Ende 1993 erst etwa zehn Milliarden, gerade fünf Prozent, erfolgt. Dabei hatte
die Privatisierungsbehörde den Ausschussmitgliedern immer neue, einander widersprechende Zahlenangaben über Arbeitsplatz-
und Investitionszusagen und die Verwendung öffentlicher Mittel geliefert. Zwar hatte der Ausschuss die Berechnungsfehler moniert
und festgestellt, dass die Treuhandanstalt ihre Statistiken schönrechnete, die Wahrheit aber nie herausbekommen. Bis zum heutigen
Tag blieb die Treuhandanstalt, eine Anstalt öffentlichen Rechts, ein außerhalb unserer Gesellschaft und ihrer Gesetze stehender
monolithischer Block, in den niemand vorzudringen vermochte. Dieses unerklärliche Ding musste wohl aus einer fremden Zivilisation
auf deutschen Boden gefallen sein, denn stammte es aus einem demokratischen Gemeinwesen, hätten sich dessen Bewohner ihre
Staatsform nur eingebildet. Den Eigentümern der einstmals überwältigenden Vermögenswerte, den ehemaligen DDR-Bürgern, wurde
die Einsicht in ihr eigenes Privatisierungsgeschäft verweigert. Ihnen wurde bis heute keine Rechenschaft abgelegt, was mit
ihrem Volksvermögen geschehen war. Keine parlamentarische Kontrollinstanz konnte den Wahrheitsgehalt der Treuhandstatistiken
überprüfen, kein Außenstehender gewann Einblick in das nach der »Kopftheorie« rekrutierte Privatisierungsnetzwerk, vermochte
bis zu den Details der Privatisierungsgeschäfte vorzudringen. So lässt sich, dies ist nur ein Beispiel, bis heute nicht nachvollziehen,
weshalb die Jenoptik GmbH in Jena, die im Eigentum des Landes Thüringen steht, mit Milliardenbeträgen gefördert wurde, während
anderen Unternehmen selbst geringfügige Investitionen vorenthalten und die Geschäftsführungen von der Treuhandanstalt zu ständigem
Personalabbau gezwungen wurden, immer wieder neue Sanierungskonzepte erarbeiten und dafür aus Westdeutschland anreisende Berater
beschäftigen mussten.
Den Höhepunkt der Ausschussarbeit bildete die Vernehmung von Gert Haller, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und |117| zuständig für die Fach- und Rechtsaufsicht der Treuhandanstalt. Der Finanzexperte, heute Staatssekretär a. D., Vorsitzender
des Vorstandes der Wüstenrot & Württembergischen AG in Stuttgart und zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wüstenrot
Bausparkasse AG, Ludwigsburg, wurde in der Vernehmung (Beweisprotokoll 42,309) nach der Zahl abgewickelter Treuhandunternehmen
befragt. »Mir ist die Zahl jetzt nicht erinnerlich«, antwortete der leitende Beamte, »aber ich denke, es sind sicherlich über
hundert … oder mehrere hundert«. Auf den Hinweis, dass binnen dreier Jahre knapp 3300 Unternehmen in die Liquidation oder
Gesamtvollstreckung gegangen seien, erklärte der für die Aufsicht der Privatisierungsbehörde zuständige Staatssekretär Gert
Haller, er nehme alles, was ihm hier an Informationen vorgelegt werde, zur Kenntnis.
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Die abschließende Erfüllung der verbliebenen Aufgaben
Das Ende des »operativen Geschäfts« der Treuhandniederlassung Schwerin am 17. Juli 1992 war der Auftakt zu einer nicht enden
wollenden Abschiedsvorstellung der Treuhandanstalt und ihrer Nachfolgeeinrichtungen. Seit diesem Tag ging es in der Zentrale
und den Niederlassungen nur noch zu Ende, verabschiedete sich die Behörde ein ums andere Mal von der öffentlichen Bühne, beendete
ihre »Privatisierungstätigkeit« und widmete sich der »Aufarbeitung der Restaufgaben«. Es war in all diesen Jahren praktisch
unmöglich, noch einmal über die eklatanten Probleme und über Verantwortlichkeiten zu sprechen, denn die verantwortlichen Treuhandmitarbeiter
waren alle gerade im Gehen begriffen, räumten nur noch schnell ihre Schreibtische auf, steckten das viele Papier, das sich
im Laufe der Jahre angesammelt hatte, in den Reißwolf und warfen all denen, die noch so viele Fragen hatten, einen hastigen
Abschiedsgruß zu. Mit großem Getöse verkündete eine Bezirksniederlassung nach der anderen das »Ende des operativen Geschäfts«
und legte den Abschlussbericht vor. So ging das anderthalb Jahre, bis schließlich auch die Berliner Zentrale |118| das »operative Geschäft« beendete, ihre Erfolgsbilanz vorlegte und Treuhandchefin Birgit Breuel von der Privatisierungsbühne
abtrat.
Nach dieser langen Abschiedszeremonie trat am 1. Januar 1995 das »Gesetz zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen
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