Abbau Ost
›Rückzug mit Rückgrat. Richard Schröder fühlt sich wieder einmal nicht zu Hause in der SPD‹, DIE ZEIT 32/2001
Als letzter der »kritischen Beiträge von 15 Gastautoren« im Abschlussbericht der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben,
unmittelbar vor dem umfangreichen Statistikteil, steht der Essay des Vorzeigeossis Richard Schröder. Der frühere Fraktionsvorsitzende
der Ost-SPD wechselte nach den ersten gesamtdeutschen Wahlen von der Volkskammer in den Bundestag, hatte allerdings nach dem
Ende der DDR kein wichtiges politisches Amt mehr inne und blieb in der gesamtdeutschen SPD weitgehend ohne Einfluss. Andererseits
hatte Prof. Dr. h. c. Dr. theol. habil. Richard Schröder noch zu DDR-Zeiten, im März 1990, seine Lehrtätigkeit an der Theologischen
Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin aufgenommen, wo er im Februar 1993 auf den Lehrstuhl für Philosophie in Verbindung
mit Systematischer Theologie berufen wurde, ein Lehrgebiet, das perfekt auf die persönlichen Intentionen des Theologen und
Philosophen zugeschnitten schien. In seinem Essay räsoniert er ›Über das Eigentum‹ und spannt einen weiten Bogen von John
Locke über Karl Marx zu Erich Honecker und der PDS. Die Wurzeln des Volkseigentums entdeckt der langjährige Gemeindepfarrer
in der Jerusalemer Urgemeinde, |125| im klösterlichen Armutsideal, bei den Hutterern, den noch heute überwiegend in Nordamerika lebenden Amish-People und als »jüngsten
Großversuch einer Gemeinschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln die Kibbuzim der Einwanderer in Palästina/Israel.«
Überall dort, »wo die Idee des Gemeineigentums tatsächlich praktiziert worden ist, wurde sie nicht mit dem Ziel besonderer
wirtschaftlicher Effizienz angestrebt, sondern als Minimalökonomie für eine Gemeinschaft, der es auf Wohlstand nicht ankommt«.
Wobei allein schon der Begriff Volkseigentum als eine Irreführung verstanden werden müsse, denn »das Volk kann gar nicht Eigentümer
im Sinne konkreter Verfügung, Haftung und Verantwortung sein. Eigentümer kann nur eine natürliche oder juristische Person
sein, also im zweiten Falle etwa der Staat, eine Kommune oder eine Gesellschaft.« Damit lag auf der Hand, was geschehen musste,
»um die ineffektive Ökonomie der zentralen Planwirtschaft und des Volkseigentums abzuschaffen: Privatisierung«. Und das habe
die Treuhandanstalt geleistet. »Im Übrigen«, schreibt Richard Schröder, »ist der Reichtum der Reichen selten das, was die
Armut der Armen verursacht. Denn wenn man jemandem eine Million Euro wegnimmt, um die auf eine Million Bedürftige zu verteilen,
bekäme jeder einmalig einen Euro.«
Auf die rhetorische Frage, was denn nun aus dem Volksvermögen geworden ist, das von der Privatisierungsbehörde für lediglich
5,8 Prozent seines von namhaften Ökonomen geschätzten Wertes verkauft wurde, antwortet Richard Schröder mit einer Parabel:
»Ich hatte zu DDR-Zeiten einen Wartburg. Anfang 1989 hätte ich ihn, er war wohl sechs Jahre alt, noch für ein Jahresgehalt
verkaufen können. 1991 konnte ich ihn nicht einmal mehr verschenken. Er wurde verschrottet. Zurück blieb ein veritables Ersatzteillager,
eben noch ein großer Schatz (›Substanzwert‹ würde das die PDS nennen), jetzt nur noch Staubfänger. Der Wartburg hatte für
mich einen erheblichen Gemütswert, aber nach 1990 plötzlich keinen Verkaufswert mehr. Seitdem suche ich vergeblich den Westdeutschen,
der sich am verlorenen Verkaufswert meines Wartburg bereichert hat.«
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|126| Altenheim und Tiefgarage
Die Einweihungsfeierlichkeiten für das Altenheim in der Wismarer Papenstraße gerieten zu einem Höhepunkt in der mittlerweile
anderthalb Jahrzehnte dauernden Sanierungsgeschichte der Weltkulturerbestadt. Aus Berlin war eigens Volkmar von Obstfelder,
Chef der TLG Immobilien GmbH angereist. Er überreichte der Heimleiterin Beate Baar den symbolischen Schlüssel und bezeichnete
das Pflegeheim als »karitatives Herz dieser Stadt«. Wismars Bürgermeisterin Rosemarie Wilcken freute sich, dass »ein schlimmer
städtebaulicher Missstand endlich beseitigt wurde«, und schwärmte in dem ihr eigenen Pathos: »Diese Nutzung möge beispielhaft
werden für andere Quartiere in der Stadt.« Landesbischof Hermann Beste lobte das Heim als ein Beispiel, »wie im Alter die
Würde jedes Einzelnen gewahrt werden kann«, und bat für das Haus, seine Bewohner und Mitarbeiter um den Segen
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