Abbau Ost
Euro Gewerbesteuereinnahmen für sich verbuchen (Stand 2006)
und damit nur einen Bruchteil ihrer Verwaltungskosten begleichen können. Es sind Städte und Gemeinden, wo besonders viele
junge Frauen abwandern und ein Männerüberschuss herrscht. Es sind Problemgegenden darunter, wo sich bereits unter Grundschülern
eine bisher nicht gekannte Aggressivität ausbreitet, wo schon die Jüngsten von Hunger und Verwahrlosung geprägt sind und kaum
jemals die Chance auf ein bürgerliches Leben haben.
Niemand weiß, wo das noch hinführt. Die gravierendsten Auswirkungen der deutschen Einigung werden erst in den kommenden Jahren
sichtbar und in der gesamten westlichen Welt auf Interesse |28| stoßen. Die Zwangsläufigkeit der bevorstehenden Ereignisse macht Ostdeutschland zu einem Studienobjekt. Wenn die heutige Generation
der Großeltern ihre letzte Ruhe findet, wird es kaum noch jemanden geben, der in die frei werdenden Mietwohnungen und Einfamilienhäuser
zieht. Räumkommandos werden den Abriss ganzer Dörfer, Stadtteile und Wohnsiedlungen organisieren, um Vandalismus vorzubeugen.
Mit dem Ableben der zahlenmäßig starken, vergleichsweise finanzkräftigen Rentnergeneration werden nach und nach viele der
Einkaufszentren schließen, die in den 90er Jahren in größter Eile aus dem Boden gestampft wurden. Die Immobilienpreise werden
noch drastischer fallen, Banken und Sparkassen mit den Wertberichtigungen kaum noch nachkommen. Immer mehr Kommunen werden
Investitionskredite für die viel zu groß geratenen Wasserwerke und Kläranlagen, für leer stehende Gewerbegebiete und Verwaltungsgebäude
nicht mehr bedienen können und nicht wissen, woher sie das Geld für die Bezahlung des öffentlichen Personals nehmen sollen.
Spätestens dann wird sichtbar, was heute kaum jemand auszusprechen wagt: Die Bundesrepublik hat unter dem Banner der deutschen
Einigung eine 108 000 Quadratkilometer große Problemregion mitten in Europa geschaffen und Millionen voller Vertrauen und
Enthusiasmus in die Vereinigung gestartete Menschen betrogen und ihrer Existenzgrundlage beraubt.
Das Schlimmste ließe sich womöglich verhindern, wenn sich Deutschland sofort den Problemen stellen würde. Doch das neue Bundesgebiet
wird im föderalen Verteilungskampf kaum noch wahrgenommen, schließlich steht auch der Westen vor eklatanten Problemen. Ihre
schwerste Bewährungsprobe haben die ehemaligen DDR-Bürger noch vor sich. Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten wäre es sinnvoll,
die Regierung würde den ehemaligen DDR-Bürgern den Umzug in westdeutsche Bundesländer bezahlen und die ostdeutschen Verwaltungsgebiete
– abgesehen von einigen Wirtschaftsstandorten – der Natur überlassen. Am Ende gibt es für alles eine Lösung. Wer kann schon
genau sagen, wo Deutschland in zwanzig Jahren stehen und wie es dann im Osten aussehen wird. Das ist der Zeitpunkt, wo die
letzten ehemaligen |29| DDR-Bürger aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Was werden ihre Enkel und Urenkel über sie denken? Welches geschichtliche Verständnis
wird kommenden Generationen über ehemalige DDR-Bürger und ihren untergegangenen Staat vermittelt? Werden im Westen sozialisierte
Historiker dieses Bild entwerfen oder werden auch jene gehört, die nicht nur eine, sondern beide Seiten kennen, die Erfahrungen
in beiden deutschen Gesellschaftsentwürfen sammeln konnten? Vieles deutet darauf hin, dass sich die einseitige, vom Westen
dominierte Sichtweise fortsetzen wird. Das wiedervereinigte Deutschland hat nur wenig Nutzen aus dem viereinhalb Jahrzehnte
währenden ost-westdeutschen Gesellschaftsexperiment gezogen. Der Westen ist völlig uninspiriert in die Wiedervereinigung gegangen.
Mit Blick auf die beängstigenden Tatsachen müssen es – um in der Wortwahl der Soziologen zu bleiben – überwiegend materiell
und hedonistisch orientierte Altbundesbürger gewesen sein, die sich den Osten angeeignet haben. Aufgrund ihrer stabilen, im
Westen erworbenen Wertvorstellungen fehlte ihnen jegliches Feingefühl für die in mehr als vier Jahrzehnten erworbenen Besonderheiten
und Vorzüge der im Osten lebenden Menschen. Sie meinten, sie seien auf die aktive Mitwirkung der ehemaligen DDR-Bürger nicht
angewiesen.
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Besitzt jemand nur so viel Vermögen, dass er davon
nicht länger als ein paar Tage oder Wochen leben
kann, denkt er wohl kaum daran, Einkünfte daraus
zu erzielen. Er geht äußerst sparsam damit um und
versucht durch
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