Abbey Road Murder Song
dorthin geschickt?«, fragte Tozer und sah Breen an.
»Ja.«
»Warum?«
»Um sie zu retten.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Breen.
»Mein Mann ist ein sehr komplizierter Mensch«, sagte Mrs Ezeoke. »Er ist zwar hier aufgewachsen, aber er ist schwarz. Er hatte keine glückliche Kindheit.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Ich glaube nicht, dass Sie sich das auch nur ansatzweise vorstellen können. Er hat mir erzählt, dass er erstmit dreizehn Jahren zum ersten Mal einem anderen schwarzen Menschen begegnet ist. Wissen Sie, was das heißt? Können Sie sich das vorstellen? Als wäre man ein Geist im Land der Lebenden.« In ihrer Stimme lag jetzt eine gewisse Härte. »Er hatte keine Ahnung, was es bedeutet, Afrikaner zu sein. Ihr Engländer seid mit einem Empire aufgewachsen. Ihr glaubt, Schwarze sind wie Kinder. Deshalb hat er sein ganzes Leben lang so hart gearbeitet. Er wollte nicht einer dieser faulen, kindischen Schwarzen sein. Als er seinen Pflegeeltern erklärte, er wolle nach Afrika reisen, um seine wahre Familie zu finden, wissen Sie, was die ihm da gesagt haben? ›Lass es lieber sein.‹« Sie lachte. »Aber er hat es trotzdem getan. Und so haben wir uns kennengelernt. Für ihn war der erste Aufenthalt im Land seiner Vorfahren sehr aufregend. In unserem Dorf wurde anlässlich seiner Rückkehr ein großes Fest gefeiert. Es gab Tanz und Bier. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er dort Palmwein getrunken, und ihm wurde speiübel davon.« Sie kicherte. »Der arme Sam sah so glücklich aus, so verwirrt und verloren zugleich. Selbst von dem Wasser, das er getrunken hat, wurde er krank. Er will so unbedingt Afrikaner sein, aber ein echter Afrikaner kann er niemals werden. Deshalb hat er auch so eine Wut auf euch Engländer, ihr seid an allem schuld. Auch daran, dass Biafra den Krieg nicht gewinnt, weil England die Föderierten unterstützt, die uns töten.«
»Und Ihre Tochter?«
»Meine Tochter wurde in England geboren. Sie ist hier aufgewachsen. Sie hat nie in Afrika gelebt, bis jetzt. Die fixen Ideen meines Mannes sind ihr fremd.«
»Und sie mag Popmusik.«
Mrs Ezeoke lachte. »Meinen Mann hat das rasend gemacht, dass sie keine afrikanische Musik hören wollte. Unser Volk braucht Hilfe. Viele Flüchtlinge sind an der Elfenbeinküste. Er wollte, dass sie hilft.«
»Er hat sie weggeschickt, weil sie die Beatles mochte?«
Mrs Ezeoke blickte traurig auf den Teppich. »Nein, nein. Nicht nur wegen der Beatles.«
»Weshalb sonst?«
»Das hat nichts mit dem Mord an dem armen Mädchen zu tun«, sagte Mrs Ezeoke. »Mehr kann ich nicht sagen.«
»Sie war mit dem ermordeten Mädchen befreundet, hat ihr ihren Armreif geschenkt. Das bedeutet, dass sie ihr sehr nahegestanden haben muss.«
»Ja«, sagte Mrs Ezeoke und betrachtete immer noch den Teppich. »Auch ich bin eine Mutter, ich habe den Armreif selbst getragen.«
»Warum hat Ihr Mann Ihre Tochter fortgeschickt?«
»Er will, dass sie sich einen Ehemann sucht. Einen Afrikaner.«
»Morwenna und Ijeoma waren ein Liebespaar«, sagte Tozer.
Die Frau stand auf und wandte sich ab, zog Bücher aus den Kisten, eines nach dem anderen, und stapelte sie. Nach einer Minute sprach sie weiter. »Sie hat nie Freunde mit nach Hause gebracht. Es ist falsch, wenn ein Mann bei einem Mann oder ein Mädchen bei einem Mädchen liegt. Mein Mann sagt, dass nur Weiße so sind. Er glaubte, es sei lediglich die Schwärmerei eines Teenagers. Eine Krankheit, wenn Sie so wollen. Und dass sie davon geheilt werden könne. Sam ist ein sehr stolzer Mann, müssen Sie wissen. Ich hätte ihr verziehen. Es ist wichtiger, dass sie glücklich ist, aber er wollte sie ändern.«
Breen nickte.
Sie ließ von den Büchern ab und setzte sich wieder. »Jetzt ist sie weg, und ich weiß nicht, ob sie jemals zu uns zurückkehren wird. Ich glaube, wir haben sie für immer verloren«, sagte sie und richtete sich gerade auf.
»Ihr Mann hat sie also weggeschickt, fort von der Versuchung?«
»Er glaubt, in Afrika gäbe es solche Mädchen nicht. Afrika ist für ihn der perfekte Ort. Eden. Er glaubt, der verderbliche Einfluss des Westens ist schuld daran, wenn ein Mädchen ein Mädchen liebt. In mancherlei Hinsicht ist er ein sehr naiver Mann.« Sie schloss die Augen und atmete tief durch.
»Sie haben nie erwähnt, dass Sie eine Tochter im Alter des toten Mädchens haben.«
»Ich spreche zurzeit nicht viel von ihr. Es macht mich zu traurig. Und ihn macht es wütend.«
»Ist Ihr Mann der Geliebten
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