Abbey Road Murder Song
wird Sie nach Hause fahren, wenn Sie möchten«, sagte Breen.
»Wie bitte?«, fragte Tozer.
Der Mann stand auf, wischte sich ein letztes Mal mit Breens Taschentuch über die Augen, dann schüttelte er den Kopf. »Ich möchte lieber nicht in einem Streifenwagen zurückkommen, wenn’s Ihnen nichts ausmacht. Es war schon schlimm genug, damit weggebracht zu werden. Alle haben es gesehen. Ich werde den Leuten nicht mehr in die Augen blicken können.«
»Wir könnten Sie irgendwo absetzen.«
Rider schüttelte den Kopf. Breen führte ihn die Treppe hinunter und aus der Polizeiwache hinaus. Er sah ihm nach, wie er sich schnell mit kleinen Schritten entfernte. Hinter dem Gebäude bog er rechts ab und verschwand.
»Was war los?«, fragte Tozer. »Wieso darf er nach Hause?«
»Ich bin ein Idiot«, sagte Breen.
Am Freitagmorgen wachte er erneut lächerlich früh auf.
Es war noch dunkel. Er machte sich einen Kaffee und ging damit ins Zimmer seines Vaters, setzte sich auf dessen leeres Bett. Er dachte an Rider, alleine mit dem Kleid seiner Frau. Ein durch Abwesenheit verzerrtes Leben.
Auf dem Nachttisch stand in einem silbernen Rahmen ein winziges Foto seiner Mutter, nicht viel größer als eine Briefmarke. Eine lächelnde Frau mit ungebändigter Haarpracht, die, vermutlich in Irland, auf einer Steinmauer saß. Es war das einzige Bild, das er von ihr hatte, und weil sie so jung gestorben war, hatte er keinerlei Erinnerung an sie.
Auch sein Vater hatte die Erinnerung mit schwindender Geisteskraft verloren. Sie war ihm Stück für Stück entglitten, bis nichts mehr davon übrig war. Während seiner letzten Tage hatte er, wie Breen gesehen hatte, immer wieder die Fotografie genommen und ganz genau betrachtet, er hatte sie sich dicht vor die Augen gehalten, als wollte er hineinsehen, um das Verlorene wiederzufinden. Mr Rider dagegen konnte seine Frau nicht vergessen.
Polizisten heirateten in der Regel jung, man konnte sich dann um eine Dienstwohnung bewerben. Wie Prosser und Jones. Bevor sein Vater eingezogen war, hatte Breen Freundinnen gehabt. Danach hatte er zunehmend weniger Gelegenheit auszugehen. Aber es hatte sowieso nie eine gegeben, von der er sich hätte vorstellen können, sie ebenso zu vermissen, wie Rider seine Frau oder sein Vater seine Mutter vermisst hatte.
Auf der Wache sah der Sergeant am Empfang auf die Uhr, als Breen hereinkam, und sagte: »Meine Güte, Paddy, du bist aber wieder früh dran.«
Er machte Licht im CID-Raum, nahm vier Blatt Papier von Marilyns Schreibtisch und klebte sie mit Klebeband aneinander. Dann lehnte er seinen Stadtplan aufgeschlagen gegen sein Posteingangsfach und zeichnete eine Karte der Straßen im Umkreis der Garden Road. Er zog kräftige Striche mit dem Bleistift, hielt nur gelegentlich inne, um sein Werk mit dem Stadtplan zu vergleichen. Als er fertig war, ging er erneut zu Marilyns Schreibtisch, nahm vier weitere Blatt Papier und zeichnete eine zweite Karte, diesmal von den Straßen im Umkreis von Carlton Vale, wo der verbrannte Mann gefunden worden war.
Marilyn kam kurz nach halb neun. »Schläfst du jetzt schon hier? Tee?«
Breen schüttelte den Kopf, hielt ihn noch immer gesenkt. Er beschrieb Zettel und schob sie auf seinem Schreibtisch herum, suchte nach obskuren Hinweisen, übersehenen Fakten. Bei Rider hatte er zu leichtfertig an eine direkte Verbindung zwischen dem Kleid und dem Mordfall glauben wollen.
Marilyn brachte ihm trotzdem eine Tasse. »Was sind das für Zeichnungen? Ich werde Papier nachbestellenmüssen, wenn du so weitermachst. Alles klar bei dir, Paddy? Siehst ganz schön erledigt aus.«
Breen antwortete nicht. Er zog seine erste Zigarette des Tages aus dem Päckchen. Für seine Verhältnisse war es eigentlich zu früh, aber er hatte das Gefühl, eine zu brauchen. Als er sie herauszog, merkte er, dass nur noch vier Zigaretten in dem Zehnerpäckchen steckten. Eigenartig. Er hatte es doch erst gestern früh gekauft. Dann dachte er zurück und versuchte sich zu erinnern, ob er jemandem eine Zigarette angeboten hatte.
»Houston an Apollo?«
»Entschuldigung. Kannst du beim Sozialamt anrufen, Marilyn? Herausfinden, ob es eine Liste aller Notunterkünfte in dieser Gegend gibt?« Er gab ihr die zweite Karte, die er gezeichnet hatte.
»Geht es um den Penner? Der verbrannt ist?«
»Ja.«
Sie nahm ihm die Karte ab. »Wahrscheinlich wirst du nicht rausbekommen, wer er war«, sagte sie.
»Kann sein«, sagte er.
»Warum er?«
»Ist doch unser Job«, sagte
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