Abbey Road Murder Song
wenn du nicht aufpasst.«
Bailey trat kreideweiß aus seinem Büro. »Was ist hier los?«
»Gar nichts, Sir.«
»Warum haben Sie keine Schuhe an, Sergeant Breen?«, fragte er.
Breen senkte den Blick auf seine nackten Füße.
Prosser meldete sich zu Wort. »Sir, ich habe eine Frage.«
Bailey seufzte. »Ja?«
»Stimmt es, dass wir jetzt alle Fahrerinnen bekommen, Inspector?«
»Wovon um Himmels willen reden Sie, Sergeant?«, fragte Bailey nervös mit den Augen zwinkernd.
Breen wusste, worauf Prosser hinauswollte. »Kollegen verpfeift man nicht, oder?«, sagte er leise.
Prosser zwinkerte ihm zu und grinste. »Dann hab ich da wohl was falsch verstanden«, sagte er zu Bailey. »Hab nur gehört, wir würden Fahrerinnen bekommen.«
»Seien Sie nicht albern, Sergeant Prosser. Das wäre gegen die Vorschriften.«
»Mein Fehler, Inspector.«
Nachdem Bailey wieder in seinem Büro verschwunden war, trat Prosser zu Breen an den Schreibtisch und sagte: »War nur Spaß, Paddy. Reg dich ab. Aber überleg dir mal, wie sauer der wäre, wenn er’s mitbekäme.«
»Was redest du da von Fahrerinnen, was soll das, Prossy?«, fragte Jones.
»Mach du dir mal keine Gedanken«, sagte Prosser.
Breen nahm erneut die Zeichnung und betrachtete sie. Dann fing er an, das Gesicht des toten Mädchens mit einem seiner gespitzten Bleistifte vom Foto abzuzeichnen, zuerst die geschwungenen Umrisse, dann die Schattierungen. Im Raum herrschte schlechtgelaunte Stille.
Irgendwo draußen auf der Treppe pfiff einer der Alten aus der Truppe mit hohen Tönen, ganz viel Vibrato und voller Inbrunst einen alten Music-Hall-Song. Dann sang er: » You are my lily and my rose …«
Später in der Kantine trank Breen Instantkaffee und rauchte seine dritte Zigarette des Tages, als Marilyn kam, sich mit einem Becher Tee zu ihm setzte und ein Stück Shortcake auspackte: »Tut mir leid wegen der Verwechslung, Paddy.«
»Ist ja nicht deine Schuld.« Sie trug ein kariertes Polyesterkleid mit Schleife am Halsausschnitt. Breen fiel auf, dass sie den Ring von ihrem Freund nicht mehr am Finger hatte.
»Was ist passiert? Du wolltest mit ihr reden und sie hat sich einfach aus dem Staub gemacht?«
»Ja. Sie ist weggefahren und hat den Wagen mitgenommen.«
»Die ist irre. Bailey soll sie rausschmeißen. Das musst du ihm erzählen. Worüber wolltest du denn mit ihr reden?«
»Kann ich nicht sagen. War was Persönliches.«
»Was Persönliches? Was? Ach du Scheiße, du mit der?«
»Nein. Nicht so was.«
»Gottseidank, ich hab schon gedacht …«
»Nein.«
Marilyn tunkte das Shortbread in den Tee und lutschte eine Weile dran. »Ich glaub, du stehst auf sie.«
»Nein, verdammt noch mal«, sagte er.
»Du musst aufpassen, Paddy. Dein Dad ist gerade erst gestorben, das ist eine klassische Situation. Du bist verletzlich.«
»Hör schon auf, Marilyn. Ich steh nicht auf Tozer.«
»Ich würde mich fernhalten von der, Paddy. Die hat sie nicht alle. Das sieht man meilenweit entfernt.«
Inzwischen war es später Nachmittag. Manche Kollegen schienen in der Kantine zu wohnen. Ein älterer Beamter, der immer da war, saß am Fenster, löste das Kreuzworträtsel in der Times und knabberte an einem Keks. Breen hatte keine Ahnung, in welcher Abteilung er genau arbeitete. Ein paar Leute vom Reinigungspersonal waren eingetroffen und tranken noch schnell einen Tee vor Schichtbeginn.
Marilyn wickelte ihren Keks aus und tunkte ihn in ihren Tee. »Hast du schon mal daran gedacht zu wechseln, Paddy?«
»Zu wechseln?«
»Ich hab überlegt, ob ich den Job hinschmeiße und noch mal aufs College gehe.«
»Wirklich?«
»Weißt du, mir reicht’s.«
»Die machen doch bloß Spaß, die meinen das nicht so. Ist bloß Quatsch.«
Sie nahm ein Stück Würfelzucker, hielt es in ihren Tee, bis es sich braun verfärbt hatte, dann steckte sie es sich in den Mund. »Mir ist aber auch langweilig, wenn ich ehrlich bin.«
»Langweilig? Was willst du denn machen?«
Sie lächelte. »Du wirst lachen.«
»Werde ich nicht.«
Sie fingerte am Ärmel ihres Kleides herum. »Ich hab mir überlegt, Soziologie zu studieren.«
»Soziologie? Wie kommst du denn darauf?«
»Hab mich schon immer dafür interessiert. Emile Durkheim, Karl Marx.« Sie leckte einen Finger an und stippte ihn in die Kekskrümel in der Verpackung, dann leckte sie ihn ab. Breen konnte sich nicht vorstellen, dass in Marilyns Leben für etwas anderes Platz war als für ihren nichtsnutzigen Freund und die Polizeiarbeit. »Es kann
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