Abbey Road Murder Song
Stunde dunkel. Es war eine kleine Marktstadt, die Gebäude niedrig und klein. Der Ort hatte etwas Hartes, Ausgemergeltes. Tozer hielt vor einem großen Pub an einer Ecke, an der zwei ältere Männer in abgewetzten Tweedjacketts und Kappen standen.
Sie stieg aus. »Könnt ihr mir sagen, wo ich Fonthill House finde?«
»Fonthill House?«
Einer der Männer nahm die Kappe vom Kopf und kratzte sich. »Ist das oben auf Shute Hill?«
»Kann sein«, meinte der andere.
»Ein Major Sullivan und seine Frau sollen da wohnen«, sagte Breen durch das geöffnete Wagenfenster.
Aus der Dunkelheit trat ein weiterer Mann. »Hier, die beiden suchen Fonthill House. Ein Major und Mrs …«
»Sullivan«, sagte Breen.
»Ja, den kenn ich«, sagte der dritte Mann. »Das ist der auf der Bodmin Road. Zugezogene sind das. Hab Michaeli Gras bei dem gemäht. Den Fehler mach ich nicht noch mal.«
»Warum nicht?«
»Der alte Geizhals hat behauptet, ich hätt’s nicht richtig gemacht.«
»Ach was.«
»Unverschämter Mistkerl.«
»Wo ist das?«, fragte Tozer. Zum ersten Mal klang Tozers Akzent fast weltbürgerlich.
Die drei zeigten in alle möglichen Richtungen ortsauswärts.
fünfzehn
Es war ein großes, grau verputztes, viktorianisches Haus, eine fette Kröte von einem Gebäude hinter einer hohen Mauer aus Granit. Sie fuhren durch ein verrostetes Tor über eine schmale, von struppigem Rhododendron und Lorbeer bedrängte Einfahrt aufs Grundstück.
Der Garten wirkte müde. Laub sammelte sich dort, wohin es der Wind geweht hatte. Große Zedern und korsische Schwarzkiefern setzten sich bereits seit einem guten Jahrhundert gegen die Böen zur Wehr. Vor dem Haus, in der Mitte eines runden Vorplatzes, befand sich ein großer Eisenbrunnen. Der Teich drum herum war trüb.
Gaubenfenster saßen auf einem schiefergedeckten Dach. Auf einem der Schornsteine war an einer langen Gerüststange eine Fernsehantenne befestigt, die sich sanft im Wind bog. Im Erdgeschoss blickten riesige Schiebefenster auf die abschüssigen Rasenflächen. Ein durchnässter Korbstuhl stand dort einsam dem Haus abgewandt mit Blick ins Tal.
Sie fuhren neben einem brandneuen braunen Jaguar vor und hielten, die Reifen knirschten auf dem Kies. Neben dem neuen Wagen wirkte das Haus baufällig und verwahrlost. Den Bewohnern eines Landhauses eine Todesnachricht zu überbringen, kam Breen seltsam vor, wie eine Szene aus einem billigen Taschenbuch.
Im Erdgeschoss brannte ein einziges Licht. Breen glaubte gesehen zu haben, wie eine Gestalt nach ihnen spähte, kaum dass sie geparkt hatten. Als er die Klingel unter dem hölzernen Vordach betätigte, ging im Flur ein weiteres Licht an, und die große Haustür wurde geöffnet.
Die Frau war Anfang vierzig, blond, schlank und schön. Sie war geschmackvoll gekleidet, trug eine schmale Hoseund einen schwarzen Rollkragenpullover, dazu eine weite, geblümte Jacke mit breitem Kragen, die aussah wie von Biba oder einer anderen angesagten Londoner Boutique. An ihrem linken Handgelenk trug sie einen breiten bronzefarbenen Armreif. »Ja?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
»Mein Name ist Detective Inspector Breen. Das ist Constable Tozer.«
»Und?«
»Sind Sie Mrs Sullivan? Verheiratet mit Major Mallory Sullivan?«
»Warum?«
Ein schon etwas älterer Golden Retriever hinkte zur Tür, bellte einmal kraftlos, schien dann aber das Interesse zu verlieren und spazierte wieder davon.
»Dürfen wir eintreten? Es geht um eine wichtige Angelegenheit.« Er wusste, wie aufgeblasen er klang, aber so fiel ihm der Einstieg leichter.
»Mal?«, rief sie. »Wir haben Besuch.« Ihr Atem roch nach Wein.
Ein Mann tauchte im Eingang auf, runzelte die Stirn. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
Breen sah die Ähnlichkeit sofort. Das runde Gesicht der Toten, ihre dichten Augenbrauen. Sie hatte nichts von der grazilen Schönheit ihrer Mutter geerbt.
»Benimm dich, Mal«, sagte sie leise.
»Nun?«
»Es geht um Ihre Tochter.«
»Ah, ja? Was hat sie jetzt schon wieder angestellt?«, wollte der Major wissen. Breen konnte sich das Gesicht des Mädchens jetzt besser lebendig vorstellen. Es war das des Majors. Sein wütender Blick hätte ihrer sein können.
»Mal, Herrgottnochmal«, sagte Mrs Sullivan, immer noch leise.
»Hat sie geklaut?«
»Ich fürchte, sie ist tot«, fiel ihm Breen ins Wort.
Die Schwerkraft im Raum schien sich zu verstärken. Die Frau sagte: »Oh Gott«, aber so leise, dass Breen sie kaum hörte. Neben ihr stand der Major mit
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