Abbild des Todes
unter fließendes Wasser und wrang ihn aus.
“Sieh mich an”, sagte er, als er wieder neben ihr kniete. Sie hielt ihm ihr Gesicht entgegen, und er tupfte das Blut so sanft ab, wie er konnte. Sie hatte einen Riss auf der rechten Wange, aber er war nicht so tief, als dass er hätte genäht werden müssen. Am nächsten Morgen würde sie sicherlich ein blaues Auge haben, doch auch das sah schlimmer aus, als es war. Er desinfizierte die Wunde mit Alkohol aus dem Medizinschränkchen und klebte dann ein Pflaster darauf.
Als er fertig war, half er ihr auf. “Kannst du gehen?”
“Ja, es geht schon wieder. Er passt auf, mich niemals so zu schlagen, dass ich ins Krankenhaus muss.”
Er setzte sich neben sie auf das Sofa. “Warum bleibst du bei ihm, Jenny?”
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. “Er sagt, dass er mich umbringt, wenn ich ihn verlassen sollte.”
“Also lässt du zu, dass er dich als Punchingball benutzt?”
“Er ist nicht immer so.”
“Was hat ihn dieses Mal so aufgeregt?” Noch bevor sie zu sprechen begann, ahnte Rick bereits die Antwort.
“Er wurde wütend, als ich ihm erzählte, dass ich gekündigt habe. Letzten Monat wurde er von der Werkstatt gefeuert, für die er gearbeitet hat, und …”
“Und er hat keine Anstrengungen unternommen, sich einen neuen Job zu suchen.”
Sie sah ihn mit ihrem gesunden Auge an. “Er hatte eine schlimme Zeit.”
“Verteidige ihn nicht, Jenny. Nicht nach alldem, was er dir angetan hat. Es gibt keinen Grund für einen Mann, eine Frau zu schlagen.”
Sie senkte den Blick. “Ich weiß.”
“Bist du bereit, etwas dagegen zu tun? Diesem Wahnsinn endlich ein Ende zu bereiten?”
“Wie?”
Dass sie überhaupt fragte, ließ ihn hoffen. “Verlass ihn.”
“Das hier ist seine Wohnung. Ich wüsste nicht, wo ich hingehen sollte.”
“Aber ich weiß, wohin du könntest.”
“Er wird mich finden.”
“Nicht da, wo ich dich hinschicken werde.”
Er nahm sein Handy und wählte die Nummer vom
Blue Moon.
Als Lenny abhob, bat Rick darum, zu Stretch durchgestellt zu werden. Der knapp zwei Meter große Türsteher, der mit richtigem Namen Marcus Finch hieß, arbeitete von Anfang an im Club und war Rick so ergeben, wie er es vorher Simon gegenüber gewesen war.
“Stretch”, sagte Rick, als er ihn am Telefon hatte. “Ich brauche dich für einen kleinen Spezialjob. Kannst du zu Jennys Apartment kommen?”
“Sicher, Boss. Wo wohnt sie denn?”
Das mochte er so an Stretch. Er stellte keine überflüssigen Fragen. “201 West Forty-First Street, vierter Stock.”
“Wann brauchst du mich?”
“Sofort.”
“Ich bin schon unterwegs.”
Als er auflegte, sah er, dass Jenny leise weinte.
“Ich hoffe, dass diese Tränen nicht diesem schäbigen Kerl gelten. Bis jetzt habe ich ihn noch nicht einmal angefasst.”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich kann nur nicht glauben, dass du das alles für mich tust. Ich meine, nachdem ich mich heute Nachmittag so schäbig verhalten habe. Ich wusste, dass Mike sauer sein wird, weil ich Lolas Job nicht bekommen habe, aber ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen.”
“Vergiss es. Ich habe ein dickes Fell.” Er schaute sich in der verwüsteten Wohnung um. Die auf dem Boden liegenden Lampen, der umgestürzte Tisch, eine umgestoßene Bierflasche. “Du wirst ein paar Tage bei Stretch bleiben. Danach müssen wir einen Ort für dich finden, an dem du leben kannst. Hast du Verwandte?”
“Meine Eltern sind tot. Ich habe nur noch eine Cousine in New Orleans, sie heißt Rosa.”
“Verstehst du dich gut mir ihr?”
“Ich denke schon. Wir telefonieren ab und zu miteinander.”
“Weiß Mike von ihr?”
Jennys Gesicht hellte sich auf. “Nein. Er hat nie Interesse an meiner Familie gezeigt, also habe ich sie ihm gegenüber auch nicht erwähnt.”
“Gut. Morgen rufst du Rosa an und fragst, ob du so lange bei ihr wohnen darfst, bis du wieder auf die Beine gekommen bist. In der Zwischenzeit werde ich mich in ein paar Clubs in New Orleans umhören und zusehen, dass ich dir ein paar Termine zum Vorsingen besorge.”
Wieder kullerten Jenny dicke Tränen über die Wangen.
“Was ist los?”
“Niemand war jemals so nett zu mir.”
“Ich habe halt eine Schwäche für Mädels in Bedrängnis.”
Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
“Also”, fragte er sie ganz ruhig. “Ich muss wissen, wo ich Mike finden kann.”
Beunruhigt blickte sie ihn an. “Wieso? Was hast du mit ihm vor?”
“Wo ist er,
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