Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
Gesicht in die Hände und weinte. »Was habe ich ihr getan? Warum? Warum hat sie das gemacht? Wenn sie mich nicht mehr heiraten wollte, hätte sie es mir nur zu sagen brauchen - sie musste sich deswegen nicht umbringen. Ich begreife überhaupt nicht, warum sie keinen anderen Ausweg sah.«
Ich strich ihm mitfühlend über den Rücken und hatte selbst Tränen in den Augen. Das Traurigste an einem Selbstmord, dachte ich dabei, war der Trümmerhaufen, den er im Leben der anderen hinterließ. Bei diesem Gedanken flammte ein Bild in mir auf, bei dem ich erschrocken Luft holte und aufsprang. Es traf mich mit brutaler Wucht. Von meiner heftigen Bewegung aus seiner Trauer gerissen, blickte Marco mich verwirrt an.
»Was haben Sie?«, fragte er.
»Marco, hatte Alyssa einen Bekannten mit dunkelbraunen Haaren? Vielleicht jemanden aus ihrer Vergangenheit? Jemanden aus Ohio?«
»Nein. Nicht dass ich wüsste. Gleich nach dem Tod der Eltern ist sie mit ihrer Schwester von dort hierher gezogen, wollte aber überhaupt nichts aus der Zeit erzählen. Alyssa meinte, die Vergangenheit sei vorbei, und sie wolle nicht mehr dahin zurück. Warum wollen Sie das wissen?«
»Es tut mir schrecklich leid, dass ich Sie das fragen muss, aber wieso war die Polizei so sicher, dass es ein Selbstmord gewesen ist?«
Er schluckte. »An der Waffe waren ihre Fingerabdrücke, und es lag ein Abschiedsbrief da. Eindeutig ihre Handschrift, das hat Allison bestätigt. Ich habe ihn nie gelesen, aber Allison zufolge hat sie geschrieben, dass unsere Ehe nicht gut gehen würde und sie keinen anderen Ausweg sehe. Sie wolle nur frei sein. Allison gab mir die Schuld an Alyssas Tod.«
»Wann haben Sie Allison zuletzt gesehen?«, fragte ich aufgrund einer Eingebung.
»Äh ...« Marco blickte zu Boden. »Ich glaube, das war Anfang Juni bei Alyssas Beerdigung.« Lügner, Lügner!
Das überraschte mich. Es war das erste Mal, dass ich bei ihm eine Lüge spürte.
»Wie standen Sie zu Allison?«, fragte ich vorsichtig.
»Na ja, sie war Alyssas Schwester. Ich mochte sie, wie man eine Schwester eben mag. Aber nach Alyssas Tod drehte sie durch. Sie beschuldigte mich und ließ mich nicht einmal mehr ins Haus. Sie hat mich total fertiggemacht. Daher war ich wohl auch ziemlich wütend auf sie und habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen. Jetzt ist sie auch tot, und ich fühle mich schrecklich deswegen.«
Das war wenigstens wahr. »Marco, bitte versprechen Sie mir, dass Sie den Menschen, die Sie lieben, nicht dasselbe antun wie Alyssa Ihnen.« Das kam endlich an. Es ging ein sichtbarer Ruck durch ihn. Da er jetzt richtig zuhörte, fügte ich hinzu: »Ganz im Ernst: Es mag jetzt nicht so aussehen, aber es wird täglich ein bisschen leichter werden. Das verspreche ich Ihnen. Sie werden Alyssa nie vergessen, aber Sie können ihr Andenken in Ehren halten, indem Sie Ihr Leben leben.«
Marco nickte unverbindlich und stand auf. »Ich muss wieder an die Arbeit«, sagte er schon halb auf dem Weg dahin. Es tat mir von Herzen leid für ihn, und ich wusste genau, dass er nicht Allisons Mörder war.
Ich stand ebenfalls auf und ging zurück zum Büro. Als ich um die Ecke bog, lief ich gegen eine breite Brust.
»Oh! Entschuldigen Sie!«, murmelte ich und machte einen Schritt zur Seite.
»Ich glaube, das kann ich nicht so einfach, Abby«, sagte Dutch und blickte mich durchdringend an.
Oh-oh. »Dutch! Das ist ja ein Zufall! Die Welt ist klein, hm? Komisch, dass ich dich gerade hier treffe ...« Ich plapperte dummes Zeug, weil ich mich durchschaut fühlte.
»Was machst du hier, Abby?«, fragte Dutch, und seine Kiefern mahlten vor Ärger.
»Einen Ölwechsel«, antwortete ich und hoffte, das wäre meine Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte.
»Bei Alyssas Exverlobtem?«
»Ach, nee - das war der?«, fragte ich mit einem schelmischen Augenaufschlag. Vielleicht würde ihn meine umwerfende Weiblichkeit ablenken.
»Warte vorne auf mich, Abigail, und denk nicht mal dran, dich aus dem Staub zu machen.«
Schluck. Ich schlich vorsichtig an ihm vorbei und ging ins Büro, um meine Rechnung zu bezahlen und die Wagenschlüssel in Empfang zu nehmen. Der Gedanke an Flucht huschte mir kurz durch den Kopf. Als ich nach draußen trat, sah ich Marco, der von Dutch und Milo in Handschellen zum Streifenwagen geführt und auf den Rücksitz verfrachtet wurde. Mir blieb der Mund offen stehen. Warum wurde Marco verhaftet?
Dutch kam mit einem zweiten Paar Handschellen auf mich zu. Ich fragte
Weitere Kostenlose Bücher