Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
gewarnt?«
Ich brauchte einen Moment lang, bis ich den Drang, mich zu verteidigen, überwunden hatte. Es ärgerte mich maßlos, wenn Leute mich für alles Schlechte, das ihnen passierte, verantwortlich machten. Es war nicht meine Schuld und wahrhaftig auch nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass meine Klienten fortan ein glückliches Leben führten.
Nach meiner persönlichen Erfahrung kommen die Nachrichten für sie in einer Weise bei mir an, die sie verkraften können. Wenn ich Cathy zum Beispiel gesagt hätte: Gehen Sie nicht zum Supermarkt, weil irgendein Psycho Sie vergewaltigen wird, wäre sie wahrscheinlich nie wieder einkaufen gegangen. Was für einen Dienst hätte ich ihr damit erwiesen?
Ich ging in Gedanken noch einmal durch, was ich in der Sitzung gesagt hatte. Im Nachhinein betrachtet, war die Botschaft übermittelt worden, aber Cathy hatte nicht darauf gehört und ihre Einkäufe nicht vor dem Vorstellungsgespräch erledigt, als es draußen noch hell gewesen war. Stattdessen hatte sie den Rat in den Wind geschlagen und das Gegenteil getan, wofür sie jetzt bezahlte.
Das konnte ich ihr natürlich nicht unter die Nase reiben. Sie hatte genug durchgemacht, und wenn sie mir die Schuld geben wollte, na ja, ich hatte starke Schultern und konnte sie eine Weile tragen.
Schließlich sah ich sie an und sagte: »Cathy, ich bekomme die Informationen so, dass ich sie leicht interpretieren kann und meine Klienten nicht geschockt werden. Es ist nicht gut, in der ständigen Angst zu leben, dass etwas Schreckliches passieren wird. Darum werden die Botschaften meiner Ansicht nach so verpackt, dass sie für die Klienten erträglich sind. Ich meine, die Hinweise waren da, aber zusammenhanglos. Es tut mir leid, dass Ihnen das passiert ist und ich arbeite mit Detective Johnson zusammen, um den Kerl möglichst schnell zu finden, der Ihnen das angetan hat.«
Cathy brach in Tränen aus und sie tat mir unendlich leid. Es war schwer vorstellbar, was sie durchmachen musste, und ich fühlte mich schrecklich hilflos. Nach einer Weile nickte sie mir zu und versuchte, sich zu fassen. Vorsichtig tupfte sie sich mit dem zerknüllten Taschentuch die Tränen ab. Dann sah sie Milo an und sagte: »Mir ist etwas eingefallen, Detective.«
Milo griff in seine Jackentasche und holte einen kleinen Spiralblock hervor. Hastig blätternd schlug er eine blanke Seite auf, nickte ihr zu, und sie sagte: »Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, nachdem er mich von hinten gepackt und hinter das Gebäude gezogen hatte, ist, dass er eine Maske trug.«
»Eine Maske?«, wiederholte Milo.
»Ja, ich habe sie kurz aus den Augenwinkeln gesehen.«
»Eine Halloween-Maske?«, fragte Milo.
»Nein, keine Halloween-Maske. Es war eine Skimaske, eine aus Goretex.«
»Der Skifahrer ...«, hauchte ich ein wenig erschrocken.
Cathy blickte mich scharf an und ihr Mund blieb offen stehen, als ihr die Verbindung klar wurde. »Du meine Güte ... Sie haben mir gesagt, ich solle mich vor dem Skifahrer in Acht nehmen. Ich weiß noch, dass ich hinterher dachte, Sie müssten meinen Nachbarn gemeint haben. Ich glaube, er fährt Ski, und er versucht ständig, mich anzumachen.«
»Könnte er der Täter sein?«, fragte Milo.
»Ich ... ich weiß nicht. Vielleicht. Ich habe keine Ahnung. Er ist mir nur eingefallen, als ich überlegt habe, wen Abby gemeint haben könnte.«
»Er wohnt direkt neben Ihnen?«
»Ja, in dem roten Ziegelhaus rechts. Er spricht mich immer an, wenn Kenny nicht zu Hause ist. Er ist mir auch unheimlich. Vorigen Sommer habe ich ihn erwischt, wie er mich durch die Grundstückshecke beim Sonnen beobachtete.«
»Wissen Sie, wie er heißt?«
»Jeff oder John, glaube ich ... irgendetwas mit J...«
»Jeff heißt er, Jeff Zimmer«, sagte jemand hinter uns. Wir drehten alle den Kopf und hinter dem Vorhang kam ein junger Mann mit rotblonden Haaren und schmerzerfülltem Blick hervor. Zweifellos Cathys Freund.
»Hallo, Liebling«, sagte Cathy sehnsüchtig. Der junge Mann eilte an die andere Seite des Bettes und nahm beschützend ihre Hand. Bei Cathy flössen erneut die Tränen.
Ich warf Milo einen Blick zu, stand auf und ging vom Bett weg. Milo nickte mir zu und schloss seinen Notizblock, nachdem er sich auch den Namen von Cathys Freund notiert hatte. »Danke, Ken«, sagte er. »Wir werden das prüfen. Und nun ruhen Sie sich aus, Cathy, und wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich auf dem Handy an. Meine Karte haben sie ja, nicht wahr?«
Cathy
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