Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
einzuprägen.
Kendal fuhr fort. »Pentakel stehen für Norden und Winter, Schwerter für Osten und Frühling, Stäbe für Süden und Sommer, Schalen für Westen und Herbst.«
»Norden/Winter, Osten/Frühling, Süden/Sommer, Westen/ Herbst... klar«, sagte ich auf jede Farbe zeigend.
»Gut! Also, das Letzte und Wichtigste: Die Farben stehen auch für die vier Aspekte des Menschen: Stäbe für Kreativität, Schalen für Emotion, Schwerter für Intellekt und Pentakel für Arbeit oder Geld, also zum Beispiel Einkommen.«
»Okay, ich glaube, das hab ich noch nicht ganz abgespeichert«, sagte ich. Mir schwirrte der Kopf. So einfach, wie es schien, es war doch viel auf einmal, was man behalten musste.
Kendal lachte leise und klopfte mir beruhigend auf den Arm. »He, nimm’s nicht so tragisch. Wenn du bei einer Karte ins Stocken kommst, hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst eine andere aufdecken oder auch mehrere, bis du dir ein Bild gemacht hast, oder du machst die Augen zu und gehst nach deiner eigenen Methode vor. Aber du wirst das schon hinkriegen.«
Ich nickte. Ich hatte einen Kloß im Hals und Schmetterlinge im Bauch. So hatte ich mich zuletzt vor fünf Jahren gefühlt, als ich meine erste Sitzung abhielt.
Kendal stand auf und nahm seine Jacke vom Stuhl. »Hör zu, ich sitze nur nebenan. Wenn du mich brauchst, schrei einfach.«
Ich stand ebenfalls auf. »In Ordnung. Ich gehe mal rüber an die Bar und sehe, ob ich eine Flasche Wasser bekommen kann. Willst du auch was?«
»Wasser klingt gut, danke.«
»Bin sofort wieder da«, sagte ich und bog um die Vorhangecke.
Inzwischen trafen auch die ersten Hochzeitsgäste ein und ich beeilte mich, zur Bar zu gelangen, da ich keine Lust hatte, mich an einer Schlange anzustellen, die bestimmt schnell wachsen würde. Ich bekam Blickkontakt mit einem jungen Barkeeper, der mir zuzwinkerte und fragte: »Was soll’s denn sein?«
»Zwei Flaschen Wasser bitte«, sagte ich und legte einen Dollar in seine Trinkgeldschale. Ich nahm die Flaschen, die er mir hinschob, und machte mich auf den Rückweg, als mir zwei große Körbe ins Auge fielen, die seitlich neben der Tür standen. Aus Neugier ging ich einen kleinen Umweg und stellte fest, dass darin Dutzende Augenmasken lagen, schwarze für die Männer und weiße für die Damen, alle mit hübschen Bändern und silberner oder goldener Spitze verziert.
Aha, da kam also das Halloween-Thema ins Spiel. Statt Gummimasken in Gestalt von Ghulen und Kobolden hatte sich das Brautpaar Ballmasken ausgesucht. Hübsch.
Ich kehrte zu unseren Tischen zurück und gab Kendal seine Wasserflasche. Er brachte sich bereits in Stimmung, machte Atemübungen und saß mit geschlossenen Augen kerzengerade auf seinem Stuhl. Ich überlegte, dass ich das besser auch tun sollte, und nahm meinen Platz ein. Ich schloss die Augen.
Im Hintergrund hörte ich die Gäste aufgeregt plaudern und lachen, während sie sich die Masken aufsetzten, ihre ersten Getränke bestellten oder zu den Krebsscheren gingen. Ich blendete sie aus und rief meine Crew zusammen, mit der ich eine einseitige, stumme Unterhaltung führte - ungefähr so: Leute, ich brauche heute Abend eure Unterstützung. Bitte helft mir, wo ihr nur könnt, und wenn ich beim Kartenlesen hängen bleibe, springt bitte ein. Lasst mich das nicht vermasseln, ja? Meine rechte Seite fühlte sich leicht an. Meine Crew würde mir nach besten Kräften helfen. Etwas zuversichtlicher schlug ich die Augen auf und stellte überrascht fest, dass eine maskierte Frau vor mir saß.
»Oh!«, rief ich aus.
»Entschuldigung«, sagte sie rasch. »Ich wusste nicht, ob Sie schon so weit sind, darum dachte ich, ich verhalte mich still, bis Sie die Augen aufmachen.«
Ich kicherte, weil sie mich überrascht hatte, und sagte: »Kein Problem, ich bin bereit.«
In dem Moment hätte ich fast die Tarotkarten vergessen, aber sie fielen mir gerade noch ein, und ich begann nervös zu mischen. Als ich es lang genug hinausgezögert und tief eingeatmet hatte, bat ich die Frau um Namen und Geburtsdatum, dann deckte ich die oberste Karte auf.
Darauf war ein Mann mit einer Malerpalette in der einen und einem Pinsel in der anderen Hand zu sehen. Er saß vor einer Staffelei, auf der verschiedene Stäbe gemalt waren. »Die Karte sagt, dass Sie sehr kreativ sind, aber in besonderer Weise. Sie könnten ein Händchen fürs Dekorieren haben, sogar Dekorateurin sein oder Malerin oder etwas in der Art.«
Die Frau lachte. »Ich bin
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