Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
diskutieren«, antwortete ich in unnachgiebigem Ton.
»Wie üblich«, sagte Milo mehr zu sich selbst als zu mir.
»Die Öffentlichkeit muss unbedingt vor Donnerstag gewarnt werden. Zimmer hat es nicht getan, Milo, und wenn du die Frauen nicht warnst, wird es ein weiteres Opfer geben.«
»Wir haben für Donnerstag schon einen Krisenplan. Sämtliche örtlichen Supermärkte werden von Polizisten in Zivil bewacht. Der Kerl hat keine Chance, eine Frau zu überfallen.«
Linke Seite, Schweregefühl. »Milo, bitte, sei nicht dumm. Wenn durch einen blöden Zufall doch eine Frau vergewaltigt wird, und es kommt heraus, dass du die Öffentlichkeit nicht gewarnt hast, dann bist du es, der ...«
»Ich bin mir der Risiken völlig bewusst, aber es hat auch Konsequenzen, wenn man die Öffentlichkeit in Panik versetzt. Denk an die Besitzer der Lebensmittelmärkte und welchen finanziellen Verlust ihnen das einbringt. Ganz zu schweigen von der Flut an übereifrigen Hinweisen, die bei uns eingehen wird und dabei sind wir sowieso schon unterbesetzt. Die meisten sind ohnehin falsch. Ich bin sicher, wir haben den Richtigen in der Zelle sitzen ...«
»Milo, sei doch vernünftig!«, rief ich. Es war zum Verzweifeln.
»Kannst du mich mal ausreden lassen?«, schnauzte er mich an. Als ich schwieg, sprach er weiter. »Wie gesagt, ich denke, wir haben den Richtigen schon, aber weil ich an dich glaube, werde ich den Hinweis mit dem Postboten verfolgen und mit den Medien Kontakt aufnehmen. Sie sollen eine Meldung bringen, dass wir zwar glauben, den Täter in Gewahrsam zu haben, dass die Frauen sich aber lieber zweimal überlegen sollten, ob sie spätabends noch einkaufen gehen müssen.«
Ich seufzte erleichtert. »Danke.«
»So, darf ich mich jetzt weiter anziehen, damit ich zur Arbeit komme?«
Ich schnitt dem Telefon eine Grimasse und sagte: »Ja, und sieh zu, dass du bald einen Kaffee bekommst. Du bist heute Morgen unheimlich griesgrämig.«
»Ja, so bin ich immer, wenn ich mitten in der Nacht geweckt werde.«
Ich verdrehte die Augen. »Mann, Milo, jetzt krieg dich mal wieder ein. Ich stehe sowieso schon dermaßen bei dir in der Kreide.«
Ich hörte ein sehr leises Lachen und Milo sagte: »So ist es. Danke für deine Hilfe, und wenn ich mit dieser Postgeschichte weiterkomme, rufe ich dich an, okay?«
»Abgemacht«, sagte ich und verabschiedete mich. Ich legte auf und stieß einen tiefen Seufzer aus. Nachdem ich also meinen Willen durchgesetzt hatte, spürte ich die Wirkung eines drei Stunden kurzen Nachtschlafs. Ich war total ausgelaugt. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stöhnte.
Montag und Dienstag waren eigentlich meine freien Tage, aber die hatte ich ja diese Woche gestrichen. Mein nächster freier Tag winkte also erst in einer Woche, was für nächsten Sonntag eine mächtig miese Laune verhieß.
Die Zeiger standen auf Viertel vor acht. Das ließ mir gerade noch genug Zeit zum Duschen, aber dann müsste ich unterwegs schon auf die Tube drücken, um pünktlich zur ersten Sitzung zu erscheinen.
Solange ich im Bad war, ging mir immer wieder der Traum durch den Kopf. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich etwas Wesentliches übersah. Durch den Schlafmangel war mein Kopf wie aus Watte und darum beschloss ich, das Problem beiseitezuschieben und später darüber nachzudenken.
Ich fuhr zur Arbeit, erledigte meine fünf Sitzungen, fuhr wieder nach Hause, ohne auch nur einen Gedanken an den Traum zu verschwenden, und ging ins Bett, wo ich bis zum nächsten Morgen durchschlief.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich beklommen und war spät dran, hatte also keine Zeit, zu überlegen, wieso ich so unruhig war. Das wurde mir erst am Abend klar. Bis dahin war ich rastlos und gereizt, konnte mir das nicht erklären.
Um mich abzulenken, rief ich Cat an. Ich wollte hören, wie die Vorbereitungen für die Hellseherparty liefen, aber sie sagte, dass drei aus ihrem Literaturkreis wegen Erkältung abgesagt und die anderen beschlossen hätten, die Sitzung auf den kommenden Sonntag zu verschieben. Ich hörte eine leise Erleichterung in ihrer Stimme, als sie das erzählte, und dachte, sie wäre wahrscheinlich froh, dass sie nun ein bisschen länger Zeit hatte, um sich vorzubereiten.
Ich erwähnte weder den Vergewaltigungsfall, an dem ich arbeitete, noch die Mafiahochzeit, und erst recht nicht meinen kleinen Ausflug in Begleitung eines Gorillas.
Cat machte sich schon genug Sorgen um mich, und wenn sie Verdacht schöpfte, dass ich in Gefahr war,
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