Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
würde sie nicht zögern, ein paar ihrer Armeefreunde anzurufen, damit diese mich »überredeten«, nach Boston zu ziehen, wo ich leichter zu beaufsichtigen war. Ich liebte meine Schwester, aber ich liebte auch meine Unabhängigkeit. Darum wählte ich unsere Gesprächsthemen sehr sorgfältig aus.
Nach dem Gespräch mit Cat schaltete ich den Fernseher ein, gerade rechtzeitig zu den Sechsuhrnachrichten. Die Hauptmeldung betraf Jeff Zimmer. Es hieß, die Polizei verdächtige ihn der dreifachen Vergewaltigung im Stadtgebiet von Royal Oak.
Die Nachrichtenmoderatorin sagte: »Nach Ansicht der Polizei gibt es genügend Beweise, um Zimmer mit wenigstens einer der Sexualstraftaten in Verbindung bringen zu können, sodass er ohne Kautionsmöglichkeit in Untersuchungshaft sitzt. Wir schalten um zu unserer Kollegin vor Ort, Cindy Minsford.« Auf der Mattscheibe erschien eine keck aussehende Blondine, die neben Milo draußen vor dem Polizeirevier von Royal Oak stand.
»Ja, danke, Janice. Neben mir steht Police Detective Milo Johnson, der die Ermittlungen leitet. Detective Johnson, wie begründen Sie den Verdacht, dass Mr Zimmer diese schrecklichen Überfälle auf die Frauen begangen hat?«
Milo trug einen dreiteiligen schwarzen Anzug, ein gestärktes weißes Hemd und eine silbergrau gestreifte Krawatte. Er machte ein ernstes Gesicht und schien sich vor der Kamera außerordentlich wohlzufühlen. »Der entscheidende Hinweis kam von einem der Opfer, das neben dem Haus des Verdächtigen wohnt.«
»Und ist es wahr, Detective, dass im Haus des Verdächtigen Beweismaterial sichergestellt wurde, das ihn mit den Verbrechen in Verbindung bringt?«
»Ja, Cindy, ich darf dazu keine Einzelheiten nennen, kann aber sagen, dass dieser Mann unser Hauptverdächtiger ist und zurzeit in sicherem Gewahrsam sitzt.«
Meine linke Körperhälfte fühlte sich schwer an und ich runzelte die Stirn.
»Bestimmt werden die Frauen von Royal Oak erleichtert aufatmen, wenn sie hören, dass ein mehrfacher Vergewaltiger sich hinter Gittern befindet, nicht wahr, Detective?«
»Bestimmt, doch es ist immer ratsam, sehr vorsichtig zu sein, Cindy, besonders auf dem Weg über den Parkplatz vor Supermärkten und Einkaufszentren.«
»Können Sie uns noch ein bisschen mehr verraten, wie man es vermeidet, einem Vergewaltiger zum Opfer zu fallen?«, fragte Cindy.
Ich zog die Brauen zusammen. Das sollte Milos »Warnung der Öffentlichkeit« sein?
»Aber gern, Cindy«, sagte er und lächelte sie charmant an. »Man muss bedenken, dass Vergewaltiger sich leichte Opfer suchen, zum Beispiel Frauen, die allein unterwegs sind, die gerade in Gedanken sind, mit ihrem Handy telefonieren oder aus einem anderen Grund nicht auf ihre Umgebung achten. Lange Haare erleichtern dem Angreifer das Festhalten. Wenn Sie also lange Haare oder einen Pferdeschwanz haben, sollten Sie in Erwägung ziehen, die Haare in den Kragen zu stecken. Wenn Sie angegriffen werden, müssen Sie mit allen Mitteln um Ihr Leben kämpfen. Schreien, treten, beißen, kratzen und so viel Lärm wie möglich machen. Schreien Sie nicht um Hilfe, sondern schreien Sie ›Feuer!‹. Damit erwecken Sie garantiert Aufmerksamkeit. Steigen Sie auch niemals zu dem Täter ins Auto, wenn Sie es irgendwie vermeiden können. Denn dann bringt er Sie an einen entlegenen Ort, wo Sie niemand hört, wenn Sie um Hilfe schreien.
Richten Sie es so ein, dass Sie Ihre Besorgungen bei Tageslicht erledigen können. In der dunklen Jahreszeit, wo die Tage immer kürzer werden, schieben Sie die Einkäufe bis zum Wochenende oder zu einem freien Tag auf und gehen Sie keinesfalls am späten Abend.«
Ich nickte bei jedem seiner klugen Ratschläge, auch wenn das nicht die Art Warnung war, die ich mir erhofft hatte.
Cindy nickte ebenfalls, und als Milo fertig war, sagte sie: »Ein ausgezeichneter Rat, Detective Johnson, vielen Dank.« Dann wandte sie sich wieder der Kamera zu. »Das war der Livebericht aus Royal Oak. Ich gebe zurück an Sie, Janice.«
Ich seufzte und schaltete den Fernseher aus. Eigentlich hatte ich bekommen, was ich gewollt hatte, trotzdem war mir bei der Sache unbehaglich zumute. Ich stand auf und ging ein paarmal hin und her. Das Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Ich ging in die Küche und machte mir Abendessen, um mich abzulenken, doch während ich mein Roggenbrot mit Thunfischaufstrich aß, war ich ständig mit dem Gedanken beschäftigt, der sich da am Rande meiner Wahrnehmung bemerkbar machte, ohne dass ich ihn zu
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