Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
viele Klienten an einem Tag empfängt oder zu viele Tage hintereinander arbeitet, fühlt man sich wie nach einem Marathon, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Dann hilft es auch nicht, wenn man früher ins Bett geht. Nur ein oder zwei freie Tage bringen ausreichende Erholung.
In Extremfällen, wenn ich es wirklich übertrieben hatte, bekam ich mediale Kopfschmerzen - man kann es wirklich nicht anders nennen. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich das anfühlt, aber im Wesentlichen verspüre ich dann einen messerscharfen Schmerz in dem Bereich über meinem Kopf vom rechten Ohr bis zum rechten Auge. Das Eigentümliche ist eben, dass ich den Schmerz nicht im Kopf, sondern außerhalb des Kopfes fühle und dagegen ist mit Aspirin nichts zu machen, egal, wie viele ich nehme.
Diesen Kopfschmerz hatte ich an ebendiesem Morgen und es lagen noch vier Tage vor mir, ehe ich mir eine kleine Atempause erlauben durfte. Um das Maß vollzumachen, gesellte sich zu Erschöpfung und überlasteten Antennen die niederschmetternde Tatsache, dass heute Donnerstag war - der Tag, an dem der Täter vermutlich wieder zuschlagen würde. Ich jedenfalls war davon überzeugt.
Im Zeitlupentempo zog ich mich für die Arbeit an und wählte einen grauen Strickmantel und Jeans. Ich schleppte mich die Treppe runter und fütterte Eggy, dann schmierte ich mir einen Bagel, aß aber nur die Hälfte davon.
Meine Jeans saßen lockerer als gewöhnlich. Offenbar war ich in letzter Zeit zu ausgelaugt gewesen, um mich anständig zu ernähren. Ich nahm mir vor, am Abend für ein vernünftiges Essen zu sorgen.
Wie benommen fuhr ich zur Praxis. Dort angekommen spielte ich pflichtschuldigst den Anrufbeantworter ab und notierte mir die Nachrichten der Klienten. Der letzte Anruf war eine üble Überraschung.
»Abigail Cooper, hier Andros Kapordelis. Ich frage mich, ob Sie über mein Angebot nachgedacht haben. Es gibt da ein Projekt, das ich Ihnen gerne übertragen möchte. Mir persönlich ist unbegreiflich, wieso ich nicht schon eher daran gedacht habe. Sie können mich unter 313-555-6978 anrufen, sobald es Ihnen möglich ist.«
Ich schrieb die Nummer gar nicht erst auf, denn ich hatte bestimmt nicht vor, ihn zurückzurufen. Ich löschte die Nachricht und bereitete mich auf meinen ersten Klienten vor.
Der Tag schleppte sich dahin und meine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Inzwischen verspürte ich auch ein helles Summen in meinem Energiefeld, das mich endlos nervte. Um fünf Uhr fuhr ich nach Hause und wurde von Eggy überschwänglich begrüßt. Ich gab ihm zu fressen, war aber zu müde, um mir etwas zu kochen. Darum rief ich bei meinem bevorzugten Thai an und bestellte mir etwas.
Es werde eine Dreiviertelstunde dauern, hieß es, und so ließ ich mich in meinem großen Sessel nieder und wartete. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Schließlich rief ich Milo an, wenigstens um zu hören, dass niemand überfallen worden war.
»Johnson«, meldete er sich beim zweiten Klingeln.
»Hallo, Milo. Hier ist Abby.«
»Hallo. Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Wirklich? Warum? Ist was passiert?«, fragte ich im Schnellfeuertempo.
Milo lachte. »He, nun mal langsam. Nichts ist passiert. Ich wollte dir nur berichten, dass heute im Club die Baggerarbeiten angefangen haben. Sie werden eine schöne, große Anlage bauen.«
Lächelnd sank ich in meinen Sessel zurück. »Das ist ja super! Wirklich, ich bin so froh, dass das Geld einem guten Zweck dient.«
»Da hast du was Großartiges getan, meine Liebe. Ich wünschte, du würdest mir erlauben, das an die Presse zu geben.«
Daraufhin lachte ich. »Auf keinen Fall! Die Leute werden denken, dass ich Kohle ohne Ende hab, und dann pumpen sie mich von allen Seiten an. Halte meinen Namen lieber weiter aus der Sache raus, okay?«
»Wie versprochen.«
»Und?«, fragte ich, um zu dem Grund meines Anrufs zu kommen. »Es ist alles ruhig geblieben, ja?«
Milo lachte leise. »Äußerst ruhig. Hör zu, ich weiß, du bist beunruhigt, aber ich habe ein ganzes Heer von Kollegen in Zivil an jedem Supermarkt stehen. Ich habe sogar die Nachbargemeinden angerufen und sie informiert. Wenn etwas vorfällt, sind wir die Ersten, die davon erfahren.«
Meine Unruhe ließ nicht nach, trotz Milos Versicherungen. »Aha«, sagte ich.
»Wenn du glaubst, dass es dir hilft, dann komm doch aufs Revier und verbringe den Abend mit uns. Auf diese Weise bist du die Zweite, die es erfährt, wenn etwas vorfällt - was aber
Weitere Kostenlose Bücher