Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
Schreibtisch wahrnahm. Der Schreck war schnell überwunden, denn meine Aufmerksamkeit wurde von den Schnitzereien angezogen, die von einem wahren Künstler stammen mussten. Dieses Möbel war bestimmt mehr wert als mein ganzes Häuschen.
Schließlich sah ich Kapordelis an, der an diesem Abend blass und verschwitzt erschien, angestrengt atmete und sehr kleine Pupillen hatte. Augenscheinlich hatte er hohe Dosen Schmerzmittel eingenommen, um seinen Zustand ertragen zu können. Er strahlte Schmerzen und Übelkeit aus. Ich brauchte gar nicht weiter in seine Zukunft zu sehen, sondern schaute mir seine Aura an. Sie war fast vollständig dunkelbraun und ging bereits in Schwarz über. Er hatte nur noch eine sehr kurze Zeit zu leben.
»Guten Abend, Miss Cooper«, sagte er.
»Mr Kapordelis.« Ich nickte und begegnete seinem Blick.
»Das ist im Augenblick alles, Demetrius«, sagte er herablassend.
Unwillkürlich drehte ich mich nach dem Sohn um und sah seine Augen für eine Sekunde schmal werden, bevor er fragte: »Du möchtest nicht, dass ich bei dem Gespräch dabei bin?«
Der Alte wurde ungehalten. »Ich sagte, lass uns allein, Demetrius!«
Eilig verließ der Sohn den Raum. Ich wunderte mich, wie schnell Kapordelis seinem Sprössling gegenüber solch einen Ton anschlug, aber ich dachte mir, das wäre wohl branchenüblich.
»Worin also besteht das ›Projekt‹, an dem ich für Sie arbeiten soll, Mr Kapordelis?«
Er musterte mich einen Augenblick lang nachdenklich, etwa wie ein Krokodil ein Reh, das sich beim Trinken zu nah heranwagt. »Das Wichtigste zuerst, Miss Cooper«, sagte er ohne Erklärung.
»Okay ...«, stimmte ich nach langem Zögern zu. »Und das wäre?«
»Ein Test.«
Ich runzelte die Stirn. Mir schwante Böses. »Von was für einem ›Test‹ reden wir?«
»Nun, ich kann mich jetzt ja wohl kaum auf Ihr Wort verlassen, nicht wahr?«, antwortete Kapordelis nüchtern. »Wenn ich mein Projekt in Ihre Hände lege, können Sie sich alles Mögliche dazu ausdenken. Ich könnte eine Lüge nicht von der Wahrheit unterscheiden, richtig?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte ich unverblümt, »weil Sie mir noch immer nicht gesagt haben, worin Ihr kleines ›Projekt‹ besteht. Aber Sie wissen, wie ich arbeite. Sie hatten schon einmal eine Sitzung bei mir und die habe ich unter Zwang abgehalten. Wenn ich Sie belügen wollte, meinen Sie nicht, ich hätte das neulich schon getan?«
Er kicherte. »Vielleicht«, antwortete er spöttisch. »Vielleicht aber auch nicht. Ich kann nur sicher sein, wenn ich Sie einem kleinen Test unterziehe. Bestehen Sie ihn, vertraue ich Ihnen das Projekt an, und wir kommen mit unserer Abmachung ein Stück weiter. Bestehen Sie ihn nicht und ich erkenne, dass Sie lügen, nehmen wir einen anderen Weg ...«
Unwillkürlich schluckte ich. »Das haben wir so nicht vereinbart.«
»Dann tun wir es jetzt«, sagte er leise und drohend.
Ein, zwei Minuten lang lächelte ich ihn schief an und kam dann zu dem Schluss, dass ich kaum eine Wahl hatte. Wenn er erst einen Haufen Spiele spielen wollte, konnte ich mich kaum dagegen wehren. Er hatte das bessere Blatt auf der Hand.
»Na schön«, lenkte ich ein. »Aber wenn ich den Test bestanden habe, geht es weiter. In Ordnung? Ich bin nicht bereit, hier durch Reifen zu springen. Also geben Sie mir den Test, damit wir es hinter uns bringen.« Währenddessen ging ich zu einem der Stühle vor seinem Schreibtisch und nahm wutschnaubend Platz. Ich weigerte mich, mich einschüchtern zu lassen.
»Eine kluge Entscheidung.« Kapordelis lachte leise, dann beugte er sich vor, griff zum Telefon und tippte auf zwei Tasten. Kurz darauf sagte er: »Bringt sie herein«, und legte auf.
Ich wartete still auf das, was da kommen würde. Zwei Minuten später ging die Flügeltür auf und ich drehte mich um, sobald ich Schritte hinter mir hörte. Damit mir nichts entging, drehte ich den ganzen Oberkörper, und dadurch blieb Kapordelis meine Reaktion zum Glück verborgen. In diesem Moment stießen vier Schläger nämlich zwei zerzauste und zerknitterte Personen in den Raum hinein: Es waren Dutch und sein neuer Partner.
11
Es folgte ein Moment, in dem sich die Welt in Zeitlupe zu bewegen schien. Ich sah Dutch an, er sah mich an, unsere Blicke trafen sich. Ich sah seine schönen blauen Augen ein bisschen größer werden, dann wurden sie schmal vor Zorn. Seine Hände schienen hinter dem Rücken gefesselt zu sein, doch das hielt ihn nicht davon ab, sich gegen seine Kidnapper zu
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