Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
fürs Erste außer Gefahr und mehr war mir nicht wichtig.
»Habe ich den Test nun bestanden?«, fragte ich selbstgefällig.
»Fürs Erste«, antwortete Kapordelis, griff in eine Schublade und holte einen großen braunen Aktenordner heraus, der mit Gummibändern zusammengehalten wurde und aus dem Papier herausquoll. Er warf einen kurzen, nachdenklichen Blick darauf, dann schob er ihn zu mir hinüber. »Hier«, sagte er.
Neugierig nahm ich den Ordner in die Hände. Er wirkte alt und abgegriffen, und ich konnte mir nicht denken, was ich damit anfangen sollte. »Was ist das?«, fragte ich.
»Doras Vermisstenakte oder vielmehr eine Kopie der Polizeiakte. Und ein paar von den Spuren, die Madame Jarosolow herausfinden konnte. Im Lauf der Jahre habe ich viele private Ermittler engagiert, in der Hoffnung, meine Frau zu finden, aber jede Spur endete in einer Sackgasse. Die Hinweise von Madame Jarosolow waren noch die besten, aber ebenfalls zu unkonkret. Ich will wissen, was mit meiner Frau geschehen ist, Miss Cooper. Das ist Ihr Projekt. Finden Sie sie oder stellen Sie fest, was ihr zugestoßen ist, und wir kümmern uns um den Mann, der Ihre Schwester überfallen hat.«
Innerlich sackte ich zusammen. Ich starrte auf die Mappe in meinen Händen und musste erkennen, dass die Abmachung mit Kapordelis gar keine Abmachung war. »Das soll wohl ein Scherz sein!«, sagte ich und knallte den Ordner auf den Schreibtisch.
»Sie glauben, ich erlaube mir einen Spaß mit Ihnen?«, fragte er in gefährlichem Ton. »Ich versichere Ihnen, dass es mir vollkommen ernst ist. Ich will meine Frau finden oder erfahren, was mit ihr passiert ist, und ich habe nicht die Zeit, lange auf Ergebnisse zu warten. Sie wollen Informationen über den Vergewaltiger? Dann finden Sie Dora.«
Eine Minute lang knirschte ich mit den Zähnen und fragte mich, was ich mir da aufgehalst hatte, doch dann meldete sich meine Intuition. Geistesabwesend nahm ich die Botschaft in Empfang. Nimm die Akte, lautete sie. Ich fragte im Geiste noch einmal nach, bekam aber dieselbe Botschaft - nur noch drängender. Also stand ich achselzuckend auf und klemmte mir den Ordner unter den Arm.
»Na schön. Ich werde daran arbeiten, aber ich kann nichts garantieren ...«
»Ja, das war auch Madame Jarosolows Ausrede«, erwiderte Kapordelis unheilvoll. Mich überlief es eiskalt. Er nahm den Telefonhörer ab und schnauzte etwas auf Griechisch hinein, worauf mein Chauffeur hereinkam. Als ich mich zum Gehen wandte, gab mir Kapordelis noch eine Warnung mit auf den Weg. »Ich kann mich doch auf Ihre Verschwiegenheit verlassen, oder, Miss Cooper?«
Ich drehte mich noch einmal um und sah ihn herausfordernd an. »Ich habe jetzt zwei Wochen lang auf eine Anzeige verzichtet, obwohl sie mich auf jede nur erdenkliche Art schikaniert haben. Also kommen Sie mir jetzt nicht so!« Kapordelis’ Blick verfinsterte sich und ich wusste, ich spielte mit dem Feuer. »Hören Sie«, setzte ich etwas ruhiger hinzu. »Ihr Mafialeute wollt euch gegenseitig umbringen? Meinetwegen. Ich will ganz bestimmt nicht dazwischengeraten. Also glauben Sie mir: In nächster Zeit werde ich sicherlich nicht die Polizei anrufen.«
»Das wäre auch ein schwerer Fehler«, drohte er. Seine Augen wurden schmal und sein Mund bildete eine harte, Furcht einflößende Linie. »Ich weiß, dass Sie die Polizei von Royal Oak bei der Ermittlung in den Vergewaltigungsfällen unterstützt haben, und werde es nicht dulden, dass Sie meinen Namen damit in Verbindung bringen. Ist das klar?«
»Glasklar«, antwortete ich und ging zur Tür.
Als ich mit dem Fahrer das Arbeitszimmer verließ, kam ich an Dutch und Joe vorbei, die umgeben von einigen Schlägertypen in zwei Ohrensesseln saßen und mürrisch darauf warteten, wieder hereingerufen zu werden. Ich hätte gern einen Blick mit Dutch gewechselt, dachte mir aber, dass ich ihm keinen Gefallen damit tun würde, wenn ich vor so vielen Zeugen mit ihm Kontakt aufzunehmen versuchte. Es war klüger, so zu tun, als wäre er mir gleichgültig, daher sah ich nur beiläufig zur Seite. Er schien große Lust zu haben, mich zu erwürgen, aber ich sagte mir, dass das sicher zu seiner Rolle gehörte.
Sowie ich das Haus verlassen hatte, begann ich lautlos dafür zu beten, er möge den Abend lebend überstehen.
Eine halbe Stunde später war ich zu Hause, wo ich mich in einem heißen Schaumbad aufwärmte. Ich brauchte ein kleines Verwöhnprogramm. Während ich in der Wanne lag, rief Cat an, und wir
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