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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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stöhnend und wirres Zeug murmelnd von einer Seite auf die andere. Ihre Hände hoben sich in das Halbdunkel, versuchten etwas zu greifen, was nur sie sah, und sanken dann wieder auf die Decke, um sich darin zu verkrallen. Ein kurzatmiges Keuchen drang aus ihrer Kehle, während sich ihre Gesichtszüge verzerrten, als durchlitte sie im Fiebertraum Schreckliches.
    »Es ist ja gut, Rachel«, versuchte Abby sie zu beruhigen, und fuhr ihr über das Gesicht, wischte den Schweiß ab und strich ihr Haarsträhnen aus der Stirn. »Ich bin ja bei dir. Es wird alles wieder gut. Du musst nur gesund werden.«
    »Jacob … Jacob!«, stieß Rachel plötzlich stoßartig hervor.
    »Jacob! … bist du es, Jacob?«
    Abby schluckte schwer. Ihre Freundin phantasierte im Fieber, hielt sie für ihren tödlich verunglückten kleinen Bruder.
    Was sollte sie ihr bloß antworten? Sicher nicht die Wahrheit.
    Sie nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Ja, ich bin hier … Schwester.«
    »Oh, Jacob!« Wie ein Stöhnen aus tiefster Seele klang es.
    »Wo … bist … du … all die Zeit … gewesen? … Hab dich gesucht, Jacob … lange gesucht … Du bist tot … Mutter gesagt … im Stollen verschüttet.« Sie sprach abgehackt, als hätte sie nicht mehr die Kraft für vollständige Sätze. Und ihre Stimme war so leise, dass Abby ihr Ohr an ihren Mund halten musste, um sie zu verstehen.
    »Ich hab es überlebt und bin weggelaufen, Schwester«, antwortete Abby ihr und hatte Mühe, das Schluchzen, das ihr in der Kehle saß, zu unterdrücken. Sie musste die Illusion aufrechterhalten, dass Jacob es war, der hier an ihrem Bett saß.
    Vielleicht gab es ihr neue Kraft und Lebenswillen. »Doch ich brauche dich, Rachel. Du musst gesund werden. Denn was soll ich allein ohne dich tun?«
    »Ja … diesmal … werde … aufpassen auf dich … bleiben zusammen … Mutter kann nichts dafür … aber ich … meine Schuld …«, kam es kraftlos über Rachels Lippen.
    »Du musst kämpfen, Rachel!«, rief Abby eindringlich.
    »Hörst du? Du musst für mich gesund werden, Schwester! … Ich brauche dich! … Jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe, darfst du mich nicht wieder allein lassen. Verstehst du mich?
    Wirst du wieder gesund werde, Schwester? Mir zuliebe?«
    »Ja … gesund werden … nur schlafen … später … mir alles erzählen … und ich kann …« Ihre Stimme verklang und wurde zu einem Flüstern, das nur noch die Gestalten ihrer Fieberphantasien verstehen konnten … wie Jacob, ihr kleiner Bruder, der schon seit Jahren tot war, von Gestein erschlagen, und doch noch immer in ihr fortlebte. Weil die Schuld sie quälte, ihn nicht beschützt und nicht verhindert zu haben, dass die Mutter ihn mit neun in die Mine verkauft hatte. Welch schreckliche Narben musste ihre Seele haben!
    Abby wich nicht von ihrer Seite. Alle Stunde rieb sie ihren schweißnassen Körper ab, erneuerte die Wickel, gab ihr zu trinken und hoffte auf ein kleines Wunder. Sie hatte längst das Gefühl für Zeit verloren, da kein Tageslicht die Sträflingsquartiere erreichte. Nur wer den Wechsel der Wachen vor der Gittertür genau verfolgte oder auf das Schlagen der Glocken an Deck hörte, konnte die jeweilige Tages- oder Nachtstunde feststellen.
    Als der Hafen schon in nachtschwarze Dunkelheit gehüllt war, tauchte Mortimer Cranston auf, um zu sehen, wie es der Fieberkranken ging. Er roch intensiv nach Alkohol, doch diesmal störte sich Abby nicht daran. Egal wie er aussah und was ihn persönlich quälte, er war gekommen und hatte mehr getan als viele andere an seiner Stelle.
    »Mir scheint, es geht ihr nicht viel besser als heute Morgen«, stellte er fest und hatte leichte Schwierigkeiten mit der Artikulation. Die letzte Silbe eines Wortes schien ihm von der Zunge zu gleiten und zu einem Lallen zu zerfließen. Doch er wankte nicht. Leicht vornübergebeugt und mit hängenden Schultern stand er da, kratzte sich den Backenbart und blickte aus müden Augen, die schon zu viel gesehen hatten, auf die Kranke. »Aber auch nicht viel schlechter.«
    »Ist das ein gutes Zeichen?«, fragte Abby hoffnungsvoll und hing an seinen Lippen, als erwarte sie von ihm die erlösenden Worte, die sie von ihrer Seelenqual befreiten. Sie wusste nicht, warum Rachels Überleben so wichtig für sie geworden war.
    Dass sie sich angefreundet hatten und sie Rachel sehr vermissen würde, war nur ein Teil der Antwort auf diese Frage, die sie selbst verwirrte. Es steckte viel mehr dahinter, als der gefürchtete

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