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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Überfahrt waren fast so schrecklich gewesen wie die Zeit in Newgate. Denn wenn sie auch besser verpflegt wurden und sogar jede eine neues, einfaches Kleid erhielt, so änderte das doch nichts daran, dass sie auf engstem Raum zusammengepfercht waren und mit den endlosen Stunden des Tages nichts anzufangen wussten. Der Captain erlaubte ihnen täglich einmal eine halbe Stunde an Deck. Dann konnten sie, von den Soldaten bewacht, mittschiffs auf und ab gehen und ihren Blick in die Weite schweifen lassen. Keine Bordwand und kein Gewirr aus Pfosten und Brettern engte für diese kurze, kostbare Zeitspanne ihr Blickfeld ein. Und die frische Luft war immer wieder ein Geschenk des Himmels.
    Doch es gab Monate, wo sie kaum ein dutzend Mal das Tageslicht zu sehen bekamen, weil ein Sturm das Schiff wie einen Korken auf den aufgepeitschten Wogen tanzen ließ und gewaltige Brecher die Decks überspülten. Dann war auch ihre Unterkunft im Handumdrehen von salziger Nässe erfüllt. Und das Erbrochene der Seekranken, die zu sterben wünschten, verpestete die schon so schlechte Luft.
    In Rio de Janeiro lag die Kent dann vier Wochen im Hafen vor Anker, weil schwere Sturmschäden ausgiebige Reparaturen nötig gemacht hatten. In diesen Wochen wurde das Sträflingsquartier zu einem Brutofen. Jede Bewegung hatte einen Schweißausbruch zur Folge.
    Schlimmer konnte es kaum werden, dachten sie damals.
    Doch als die Kent den Atlantik überquert und in Kapstadt neuen Proviant und Waren für die Kolonie an Bord genommen hatte, führte ihr südlicher Kurs sie in eisige, von unzähligen Stürmen heimgesuchte Zonen. Schneidende Kälte mussten nun alle an Bord ertragen, besonders jedoch die Verbannten, für die es nicht genügend warme Decken gab. Allein auf diesem Abschnitt der Passage starben vier Sträflinge und erhöhten die Zahl der Todesfälle damit auf sechzehn. Das war weniger, als bei manch anderem Sträflingstransport, wie Charles Dawson einmal bemerkte.
    Nun, da der Ostindien-Segler wärmere Breitengrade erreicht hatte und nicht mehr weit von New South Wales entfernt war, ließ es sich im Sträflingsquartier wieder leidlich ertragen, was die Temperaturen anging. Doch wenn Mortimer Cranston nicht so barmherzig gewesen wäre und ihr nicht Schiefertafel und Schreibzeug besorgt hätte, dann hätten Rachel und sie die langen Monate kaum so gut überstanden, wie das der Fall gewesen war.
    Der Unterricht war für sie beide eine wichtige Aufgabe, die ihrer Einkerkerung die zermürbende Untätigkeit nahm. Der Unterricht, auf den Abby eisern bestand, sofern das Wetter nicht gar zu stürmisch war, lenkte sie ab, forderte Geist und Willenskraft heraus und gab ihrem Dasein einen Sinn, der über das reine Überleben hinausging.
    »Na, was macht die Schulklasse heute?«, fragte eine Stimme plötzlich neben Abby und ließ sie aufblicken. Cleo stand vor dem Bett, auf dem sie mit Rachel hockte.
    »Fortschritte«, antwortete Abby und wunderte sich zum wiederholten Mal, wie sehr sich Cleo ihr und Rachel gegenüber seit jener Nacht verändert hatte. Nicht, dass sie zu einem herzlichen Menschenfreund geworden wäre. Was Megan vorausgesagt hatte, war in der Tat eingetroffen. Wie viele andere hatte auch Cleo ihren Körper an Wärter, Seeleute und Soldaten verkauft, die nachts willige Frauen aus der Sträflingsunterkunft schmuggelten. Auf diese Weise war sie zu Vergünstigungen und sogar zu einer Art von Macht gekommen, denn sie hatte es verstanden, Sam Harrow zu Gefallen zu sein.
    Doch ihr und Rachel gegenüber hatte sie ihren Einfluss nicht einmal geltend gemacht. Von Feindseligkeit oder gar Rache war nie mehr die Rede gewesen. Cleo schien sie tatsächlich als gleichrangig zu betrachten, eben als eine von ihnen, wie sie schon damals gesagt hatte. Sie hatte nie wieder etwas gesagt oder getan, was Abby hätte reizen können. Das war natürlich auch den anderen schnell aufgefallen, die nun auch sie mit Respekt behandelten, als hätte sie mit Cleo einen geheimen Plan geschlossen.
    Megan hatte Cleos unglaubliche Wandlung erst nicht verstanden und wissen wollen, wie sie das erreicht hatte. Doch Abby hatte sich geheimnisvoll gegeben und ihr Wissen nur mit Rachel geteilt. Außer ihr brauchte niemand zu wissen, was sie riskiert und wie sie Cleo getäuscht hatte. Megan hatte das auch akzeptiert, hatte sie doch ihre eigenen Geheimnisse.
    »Der Teufel soll mich holen, wenn ich auch nur eine sinnvolle Beschäftigung nennen könnte, für die man lesen oder schreiben können

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