Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
in Menge gibt. Der Effendi behauptete, daß auch dies ihm gehöre und daß er einen jeden aufhängen werde, der so frech sei, auch nur eine einzige Maus oder Ratte anzutasten.
Wer die Türkei und Persien kennt, der weiß, daß an der grenze beider Länder allzeit ein ebenso reger wie einträglicher Schmuggel betrieben worden ist. Und nie hat es eine Stelle gegeben, welche die Aufmerksamkeit der beiderseitigen Zoll-und Steuerbehörden in der Weise auf sich gezogen hat, wie die Landschaft Dschan, die mit ihren Bergen, Schluchten und Wäldern die Pascher geradezu herausforderte, sich hier zusammenzuziehen.
Ein breiter Karawanenzug führt, Persien mit der Türkei verbindend, quer durch Dschan und also ebenso quer zwischen den Bergen von Uluhm hindurch. Das ist der offizielle, der befohlene Weg, den alle Personen und Güter zu nehmen haben. Jeder andere Weg wird als Schleichweg angesehen, und wer ihn geht, setzt sich der Gefahr aus, als Schmuggler betrachtet und behandelt zu werden, vielleicht gar als Dieb und Räuber für Fisch und Wild. Da, wo diese Karawanenstraße auf der östlichen Seite in das Tal hinuntersteigt, befindet sich das Hauptquartier der persischen Zollbeamten. Da, wo sie auf der westlichen Seite wieder emporgestiegen ist, stehen die Gebäude der türkischen Douane. Beide also hoch oben auf den beiden Rändern des Tales, während unten, in der Mitte desselben, die Besitzung des Effendi an der über das Wasser führenden Brücke liegt. Er behauptete, daß diese Brücke ihm auch gehöre und drohte, einen jeden einzusperren, der hinüber-oder herübergehe, ohne ihm den Brückenzoll zu entrichten! Sein Anwesen bestand aus einem nicht unbedeutenden Komplex von Häusern, Hütten, Stallungen, Schuppen, Tennen, Winkeln und Löchern, welche alle dem Betriebe der oben erwähnten Tätigkeiten und Berufe zu dienen hatten. Die beiden geräumigsten unter diesen Baulichkeiten waren zwei Karawanserais, rechts an der Straße eines für die, welche von rechts her, also von Persien kamen und nach der Türkei wollten, links an der Straße eins für die, welche von links her, also von der Türkei kamen und nach Persien wollten. Da war den von beiden Seiten Kommenden Gelegenheit gegeben, mit ihren Tieren und Waren Unterkunst zu finden und sich auszuruhen oder gar zu übernachten. Im Hauptgebäude, in dem Abdahn Effendi selbst wohnte, gab es auch für vornehmere Leute Gelegenheit, zu wohnen. Nämlich zwei Zimmer über dem Parterre und noch zwei Stuben, die über diesen beiden lagen. Es gab also eine Art erster und zweiter Etage, die aber beim Bau des Hauses gar nicht mit geplant worden waren. Sie bildeten vielmehr einen einfachen Würfel von Bretterwänden, die man erst später auf das platte Dach gesetzt hatte, um diese vier Unterkunftsräume zu gewinnen.
Ich war mit meinem kleinen Hadschi Halef Omar, dem Scheik der Haddedihn-Araber, den jeder meiner Leser kennt, von Bagdad hier heraufgekommen, um nach Teheran zu gehen. Wir kehrten nicht in einem der beiden Serais, sondern hier im Hauptgebäude ein, in der Stube, die im Parterre lag und als das Zimmer für vornehme Gäste bezeichnet wurde. Man hielt uns sofort für vornehm, weil man uns nach unseren Pferden taxierte, die Araber von reinstem Blute waren und in jener kostbaren Weise aufgeschirrt, die man in Persien mit dem Namen Reschma bezeichnet. In dem Zimmer saßen fünf Personen, drei ältere und zwei jüngere. Einer von den Alten war ungeheuer dick. Er saß auf einem Sitze, der ganz augenscheinlich extra stark für ihn besonders angefertigt worden war. Sich in orientalischer Weise niederzusetzen, durfte er nicht wagen, weil es ihm in diesem Falle unmöglich war, wieder aufzustehen. Halef sagte, als er ihn erblickte, leise zu mir:
»Maschallah (Wunder Gottes, was für ein Mensch! Wer dreimal um ihn herum geht, muß sich unterwegs viermal setzen, um auszuruhen!«
Dieser Mann war Abdahn Effendi, der Wirt. Seine Wangen standen wie Halbkugeln und seine Aeuglein verschwanden fast ganz unter oder hinter dem Fettpolster, welches sie umgab. Den Mund sah man fast nicht, und der Schnurrbart war unter der dicken Rindstalgnase vor Fett ganz verdünnt, erstickt und verkümmert. Aber der Zug von Gutmütigkeit, der wohlbeleibten Leuten eigen zu sein pflegt, war diesem Gesichte fremd. Die Augen schielten, und wenn der »Effendi« sprach, so hatte seine Stimme einen außerordentlich hochmütigen, harten, rücksichtslosen Klang. Eben als wir in die Stube traten, aß er. Ich habe ihn
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