Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
sie zum Mittagessen kamen. Sie rührten das Essen fast gar nicht an und tranken auch nur Wasser. Gegen Ende der Mahlzeit sagte der türkische Achmed Agha zu mir:
»Sihdi, ich glaube, daß du mich für einen Mir Alai (Oberst) hältst; ich mache dich aber darauf aufmerksam, daß ich nur Kaimakam (Oberstleutnant) bin.«
Da fiel der persische Achmed Agha gleich auch ein:
»Derselbe Irrtum geschieht dir auch mit mir. Aus deinen Reden vermute ich, daß du glaubst, ich sei Särtix (Oberst); ich bin aber nur Särhäng (Oberstleutnant).«
Und beim Abendessen desselben Tages veränderten sich diese Chargen schon in der Weise, daß der Türke die vertrauliche Frage an mich stellte:
»Sihdi, ich habe dir heute mittag gesagt, daß ich nur Bimbaschi (Major) bin. Halte mich nicht etwa für einen Kaimakam!«
Und der Perser sprach:
»Ich muß es dir in dein Gedächtnis zurückrufen, daß ich Yawär (Major) bin, keineswegs Särhäng, wie du zu denken scheinst.«
Nach diesem Abendessen machten die zwei Kommandanten keine Anstalt, nach Hause zu gehen. Sie hatten augenscheinlich die Absicht, zu bleiben, bis wir uns entfernt hatten. Darum gingen wir, beeilten uns aber, an unser Loch zu kommen. Während ich da lauschte, stand Halef Wache, um zu verhüten, daß die beiden Adjutanten mich überraschten. Sie verließen aber ihre Stube des Abends für keinen Augenblick.
Nun wir nicht mehr dabei waren, ging es unten sehr lebhaft her, aber verraten wurde nichts. Ein jeder hielt den andern für einen Betrüger; darum ging keiner aus sich heraus. Man kam während des Gespräches auf den Gedanken, daß die beiden Adjutanten gar nicht mehr unterwegs, sondern schon hier seien, doch inkognito, um leichter forschen zu können. Man hielt mich für den türkischen Adjutanten und Halef für meinen Schreiber; der persische Adjutant aber wohne nun schon über zwei Wochen hier, auch mit einem Schreiber. Beide Paare in den vier Stuben auf dem platten Dache. Wie bequem, uns in die Luft zu sprengen! Dieser Ansicht war besonders der Dicke. Die Achmeds aber zweifelten. Sie forderten, daß unbedingt noch einige Tage gewartet werde. Stelle sich dann weiter niemand mehr ein, so möge das Pulver sprechen, eher aber nicht.
Als wir am anderen Morgen zum Kaffee hinunterkamen, saß der türkische Selim Agha bereits da, um zu fragen, ob er uns wieder begleiten dürfe. Wir erlaubten es, und zwar mit großem Vergnügen. Da fuhr er fort:
»Effendi, du hast mich immer Mulasim (Leutnant) genannt; ich muß dich daran erinnern, daß ich nur Tschausch (Sergeant) bin. Auch mein Kamerad, der persische Selim Agha, ist nicht Naib (Leutnant), sondern nur Bingsadeh (Sergeant).«
Hierauf fragte ich ihn, wo er sein Pferd habe; wir würden heut nicht gehen, sondern reiten. Da wurde er sehr betroffen und erklärte, daß er weder ein Pferd besitze, noch kavalleristisch reiten könne. Ehe er sich über diesen gänzlich unvorhergesehenen Fall bei Abdahn Effendi Rat erholen konnte, waren wir fort. So klein mein Hadschi Halef Omar war, so groß war der Spaß, den ihm das gab.
Wir ritten heut, am Samstag, absichtlich in die Irre, ohne festen Plan und bestimmtes Wohin; im Stillen aber fühlte sowohl ich als auch Halef, daß es uns nach der Mühle trieb. Wir kamen dort an, nachdem wir bis zum späten Nachmittag die weite Umgegend durchstrichen hatten. Auf den geschälten Stämmen vor dem Hause, die geschnitten werden sollten, saßen der Müller, die Müllerin und die beiden Adjutanten. Sie hatten uns noch eher gesehen als wir sie. Wir ritten hin und stiegen von den Pferden. Da standen die beiden Adjutanten auf und verabschiedeten sich, um zu gehen. Sie sahen uns gar nicht an. Das wurmte den kleinen Halef. Es war ihm unmöglich, zu schweigen. Er trat ihnen sofort in den Weg, grad vor sie hin und sagte:
»Ihr scheint blind zu sein; darum sollt ihr wenigstens hören! Wer Schmuggler fangen und Abdahn Effendi übertölpeln will, der muß es klüger anfangen als ihr. Er läßt euch schon über zwei Wochen lang auf euren Gängen nach der Mühle belauschen und ahnt schon längst, wer ihr seid!«
Die beiden sahen ihn auch jetzt noch nicht an.
»Was wollte der Knirps?« fragte der Perser im Tone unendlicher Verachtung.
»Mag Abdahn Effendi es wissen! Pferdediebe sind wir nicht! Des Abends betrunken sind wir nicht! Und an Engel glauben wir nicht!« ließ sich der Türke in demselben Tone hören.
Halef wollte den »Knirps« zurückgeben; ich aber winkte streng ab. Da trat er ihnen aus dem
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