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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und kehrte den Schmutz hinweg. Im Zimmer herrschte tiefe Stille. Jeder wußte, es komme etwas Unerwartetes. Ich hob die Herdplatte zur Seite. Da tat es hinter mir einen entsetzlichen Schrei und einen schweren Fall. Der Schrei kam von Abdahn Effendi; denn er war vom Stuhl gestürzt. Ein konvulsivisches Zittern ging über seinen Körper. Aber er war nicht tot. Seine Augen standen offen. Sein Blick folgte meinen Bewegungen.
    »Hebt – – hebt – – mich auf!« lallte er. »Hal – halt – haltet mich!«
    Vier Soldaten gehörten dazu, den schweren Körper aufzurichten und festzuhalten. Er stand aufrecht, mit an den Leib gefesselten Armen. Der Schweiß stand ihm in dicken Tropfen nicht nur auf der Stirn, sondern im ganzen Gesicht. Eine entsetzlichere Angst als die, welche sich jetzt in diesem unförmlichen Fleischklumpen offenbarte, ist nicht zu denken! Da griff ich in das Loch, zog den hohen Korb heraus und stellte ihn, weil der Platz das so erforderte, gerade vor den Effendi hin.
    »Du siehst, das Ungeziefer wird ausgerottet!« sagte ich zu ihm. »Du siehst, ich halte Wort! Ich gab dir Zeit bis Mitternacht! Nur noch wenige Minuten, dann ist’s vorbei!«
    Da öffnete es ihm den Mund, und erst leise, dann immer stärker preßte es sich heraus:
    »Führe uns nicht in Versuchung – – erlöse uns von allem Uebel! – – erlöse uns von Abdahn Effendi und von seinen Freunden!«
    Und nun geschah etwas unendlich Ergreifendes. Nämlich der Müller und die beiden früheren Kommandanten erhoben ihre Hände und beendeten das Gebet, indem sie laut hinzufügten:
    »Du kannst es, wenn du willst! Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!«
    Die vier Soldaten hatten, als der Effendi sprach, ihre Hände von ihm genommen; er stand allein.
    »Amen!« wiederholte er das letzte Wort der nach ihm Betenden. Dann war es, als ob ihn eine fremde, außer ihm liegende Kraft einmal um seine eigene Achse drehe; er sank in beide Knie und brach dann langsam in sich selbst zusammen, nicht wie ein fester, schwerer Körper, sondern wie ein lockerer Haufen von Erde oder Asche, der sich in nichts verlieren will. Ich untersuchte ihn. Er war tot. Da wendete ich mich an die beiden Adjutanten:
    »Hier steht der Christ, den ihr von Gott verlangtet! Und das Wort, welches Abdahn Effendi sprechen sollte, ist erklungen – –«
    »Aber ich, ich warnte euch vor dieser Lästerung!« fiel mir der Müller in die Rede. »Ich wollte euch bewahren vor den Folgen – –«
    »Die kamen allerdings!« unterbrach ihn der Türke, indem er den Stummel seiner Hand hob. »Ich muß den Abschied nehmen! Vorher aber sollen mir diese Halunken an Gott glauben lernen, so wie er mich durch dich gezwungen hat, an ihn zu glauben!«
    »Solche Menschen,« fiel der Perser ein, »können ihn nicht in seiner Liebe, sondern nur in seiner Gerechtigkeit kennen lernen, und die soll ihnen werden, Buchstabe für Buchstabe, Silbe für Silbe, Wort für Wort! Sihdi, du hast uns besiegt! Aber ich danke dir dafür!«
    »Ich auch!« fügte der Türke hinzu.
    Beide reichten mir die Hände. Da bat ich sie:
    »Nicht Dank will ich, sondern auch nur Gerechtigkeit, und zwar für diese hier.« Ich zeigte auf die früheren Kommandanten. »Könnt ihr diese Ketten öffnen?«
    »Ja; wir haben die Schlüssel zu den Spangen.«
    »So gebt diese Schlüssel mir! Durch einen Christen sollen sie erlöst werden. Ich bitte, diese Bedingung auch wörtlich nehmen zu dürfen!«
    Die Schlüssel befanden sich in den Händen der beiden Leutnants. Sie wurden geholt, und ich hatte dann die Freude, die Gefangenen mit meinen Händen von ihren Fesseln befreien zu können. Sie waren so tief ergriffen, daß sie nicht wünschten, der Gerichtssitzung weiter beiwohnen zu müssen. Mir ging es genau so wie ihnen. Sie wollten sich nach der türkischen Karawanserai zurückziehen, und ich versprach, ihnen dorthin bald zu folgen. Da ich nun noch als Zeuge gebraucht wurde, und Halef ebenso auch, so hatten wir nur noch Bericht zu erstatten über die Art und Weise, in welcher wir zu so genauer Kenntnis der Tatsachen gekommen waren. Dann wurden wir entlassen, mußten aber versprechen, im Serai zu bleiben, bis die Angelegenheit für heute erledigt sei.
    Dort angekommen, trafen wir die beiden alten Frauen und auch die junge Frau aus der Mühle an. Sie hatten es nicht aushalten können; sie waren trotz der Dunkelheit durch den weiten Wald gekommen, um mit teilzunehmen. Welche Liebe und Dankbarkeit uns da von

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