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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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geschlossene Tür des Wintergartens an. »Jetzt werden Sie verstehen, warum das für ihn so verheerend ist. Es ist schon furchtbar, ein Mal seine Familie zu verlieren. Aber wenn einem das Gleiche noch einmal zustößt …« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ein Schicksal, das man keinem Kind wünschen kann.«

5
    Einen beruhigenderen Ort für ein traumatisiertes Kind als Mrs. Lymans Wintergarten hätte man kaum finden können. Die Glaswände gaben den Blick auf einen ummauerten Garten frei, und das Licht der Morgensonne fiel auf einen Dschungel aus Kletterpflanzen, Farnen und Zimmerpalmen, die in dem feuchtwarmen Klima prächtig gediehen. In dem üppig wuchernden Grün konnte Jane den Jungen zunächst nicht entdecken; sie sah nur die Polizistin, die sich eilig von einem Rattansessel erhob.
    »Detective Rizzoli? Ich bin Officer Vasquez«, sagte sie.
    »Wie geht es Teddy?«, fragte Jane.
    Vasquez sah verstohlen in eine Ecke, wo die Kletterpflanzen eine dichte Laube bildeten, und flüsterte: »Er hat kein Wort mit mir geredet. Versteckt sich da hinten und wimmert nur vor sich hin.«
    Da erst erspähte Jane die spindeldürre Gestalt, die im Schutz der Laube kauerte. Er saß mit angezogenen Beinen da, die Arme um die Knie geschlungen. Man hatte ihr gesagt, er sei vierzehn, doch er sah wesentlich jünger aus in seinem taubenblauen Pyjama, das Gesicht von einer hellbraunen Stirnlocke verdeckt.
    Jane kniete sich auf den Boden und kroch unter dem Gewirr von Ranken hindurch zu ihm in sein schattiges Versteck. Der Junge rührte sich nicht von der Stelle, als sie sich neben ihn hockte.
    »Hallo, Teddy«, sagte sie. »Ich heiße Jane. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
    Er blickte nicht auf, gab keine Antwort.
    »Du sitzt schon eine ganze Weile hier, nicht wahr? Du musst doch hungrig sein.«
    War das ein Kopfschütteln, was sie da sah? Oder war es ein Zittern, eine innere Erschütterung, ausgelöst durch den ganzen Schmerz, der sich in diesem zerbrechlichen Körper aufgestaut hatte?
    »Was hältst du von einem Glas Schokomilch? Oder wie wär’s mit Eis? Ich wette, Mrs. Lyman hat welches in ihrem Kühlschrank.«
    Der Junge schien sich noch tiefer in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. So fest rollte er sich zusammen, dass Jane fürchtete, sie würden die Knoten in seinen Armen und Beinen gar nicht mehr lösen können. Sie lugte durch den Vorhang von Kletterpflanzen hinauf zu Officer Vasquez, die vor der Laube stand und sie aufmerksam beobachtete. »Könnten Sie uns bitte allein lassen?«, bat sie. »Ich glaube, es ist ihm im Moment ein bisschen zu viel mit uns beiden.«
    Vasquez verließ den Wintergarten und machte die Tür hinter sich zu. Zehn, fünfzehn Minuten lang sagte Jane kein Wort und sah den Jungen auch nicht an. So saßen sie Seite an Seite, vereint im Schweigen, und das einzige Geräusch war das sanfte Plätschern des Wassers in einem Marmorbrunnen. Jane lehnte sich in der Laube zurück und blickte zu den Ästen hoch, die sich über ihnen wölbten. In diesem Garten Eden, geschützt vor der Kälte, gediehen sogar Bananenstauden und Orangenbäume, und sie stellte sich vor, wie es wäre, an einem Wintertag in diesen Raum zu kommen, wenn es draußen schneite, und den Duft der warmen Erde und der grünen Pflanzen einzuatmen. Mit Geld kann man sich alles kaufen, dachte sie, sogar ewigen Frühling. Während sie den Blick nach oben gerichtet hielt, wo das Sonnenlicht durch das Glas einfiel, registrierte sie den Atem des Jungen an ihrer Seite. Er war langsamer und ruhiger als noch vor einer Weile. Sie hörte Blätter rascheln, als er sich zurücklehnte, doch sie widerstand der Versuchung, ihn anzusehen. Sie musste an den trommelfellerschütternden Wutanfall ihrer zweijährigen Tochter letzte Woche denken. Nicht angucken! , hatte die kleine Regina geschrien, immer wieder und wieder. Sollst mich nicht angucken! Jane und ihr Mann Gabriel hatten gelacht, was Regina nur noch mehr in Rage gebracht hatte. Schon Zweijährige mochten es nicht, wenn man sie anstarrte, und reagierten gereizt auf Verletzungen ihrer Privatsphäre. Deshalb bemühte sich Jane nun, Teddy Clocks Bedürfnisse zu respektieren, und teilte nur schweigend seine grüne Höhle mit ihm. Selbst als sie ihn seufzen hörte, blieb ihre Aufmerksamkeit auf das vom Sonnenlicht gesprenkelte Laubdach über ihnen fixiert.
    »Wer sind Sie?« Die Worte waren nur gehaucht. Sie zwang sich, still sitzen zu bleiben, ließ bewusst eine Pause eintreten, ehe sie antwortete.
    »Ich bin

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