Abendruh: Thriller (German Edition)
Mann.«
» Dieser Mann «, sagte die Frau an Will gewandt, »ist hier, um euch zu töten. Um euch alle zu töten. Ich habe drei Jahre damit verbracht, ihn zu jagen.« Sie sah Claire an. »Wie kommen wir aufs Dach?«
»Es gibt da eine Tür. Im Erkerturm.«
»Bring uns hin.« Die Frau zog Claire unsanft hoch.
»Was ist mit den anderen?«, fragte Claire.
Die Frau warf das Messer auf den Boden. »Sie können sich selbst losschneiden. Aber sie müssen hier bleiben. Es ist sicherer.«
»Was?«, protestierte Claire, als die Frau sie aus der Kammer zerrte.
»Ich kann nicht riskieren, dass sie mir in die Quere kommen.« Die Frau schlug die Tür zu.
Drinnen hörten sie Sansone fluchen und schreien: » Machen Sie die Tür auf! «
»Das ist nicht in Ordnung«, beharrte Claire. »Sie können sie nicht da drin eingesperrt lassen.«
»Ich muss es tun. Es ist das Beste für sie, das Beste für alle. Einschließlich Teddy.«
»Teddy ist mir egal.«
»Aber mir nicht.« Die Frau schüttelte Claire heftig. »Jetzt bring uns zu dem Erkerturm.«
Sie stiegen aus dem Weinkeller hinauf in die Küche, wo Bear wieder zu bellen begann. Er bot einen herzzerreißenden Anblick, halb erdrosselt von seinen verzweifelten Versuchen, sich von der Leine loszureißen. Claire wollte ihn losbinden, doch die Frau zog sie weiter zur Dienstbotentreppe. Der Mann ging voran, und sein Blick suchte unentwegt die Stufen über ihnen ab, während sie hinaufstiegen. Noch nie war Claire zwei Menschen begegnet, die sich so lautlos bewegen konnten wie diese beiden. Sie waren wie Katzen, ihre Schritte völlig lautlos, ihre Augen ständig in Bewegung. Da Claire zwischen ihnen ging, war ihr der Blick nach vorn wie nach hinten versperrt, also konzentrierte sie sich auf die Stufen und darauf, sich so geräuschlos fortzubewegen wie dieser Mann und diese Frau. Sie waren so eine Art Geheimagenten, dachte sie, gekommen, um sie zu retten. Auch Teddy, den Verräter. Sie hatte reichlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken, während sie mit gefesselten Händen in dieser Kammer gesessen hatte, in den Ohren das Wimmern der Köchin, die pfeifenden Atemgeräusche von Dr. Pasquantonio. Sie dachte an die ganzen Hinweise, die sie übersehen hatte. Dass Teddy nie irgendjemanden seinen Computerbildschirm sehen ließ und immer gleich Escape drückte, wenn sie ins Zimmer kam. Er schickte dem Mann Nachrichten, dachte sie. Die ganze Zeit über hatte er dem Mann geholfen, der gekommen war, um sie zu töten.
Sie wusste nur nicht, warum.
Sie waren jetzt im zweiten Stock angelangt. Der Mann blieb stehen und blickte sich fragend zu Claire um.
»Da drüben«, flüsterte sie und deutete auf die Wendeltreppe, die zum Turmzimmer führte. Zu Dr. Wellivers Büro.
Er stieg die Steinstufen hinauf, und Claire schlich auf leisen Sohlen hinterher. Die Treppe war steil, und alles, was sie von ihm sehen konnte, war sein Hinterteil und das Kampfmesser, das an seinem Gürtel hing. Es war so still, dass sie das leise Rascheln ihrer Kleider hören konnte, als sie Stufe um Stufe erklommen.
Die Tür zum Turmzimmer war nur angelehnt.
Der Mann stieß sie leicht an und schob die Hand durch den Spalt, um das Licht einzuschalten. Sie erblickten Dr. Wellivers Schreibtisch, ihren Aktenschrank. Das Sofa mit dem geblümten Bezug und den weichen Kissen. Wie viele Stunden hatte sie auf diesem Sofa gesessen und Dr. Welliver von ihren schlaflosen Nächten erzählt, von ihren Kopfschmerzen und ihren Albträumen? In diesem Zimmer, wo es nach Räucherwerk duftete, wo die Wände in sanften Pastellfarben gestrichen und die Fenster mit magischen Kristallen geschmückt waren, hatte Claire sich sicher genug gefühlt, um ihre Geheimnisse preiszugeben. Und Dr. Welliver hatte geduldig zugehört, hatte mit ihrem weißen Wuschelkopf genickt, die unvermeidliche Tasse Kräutertee neben sich auf dem Tisch.
Claire blieb an der Tür stehen, während der Mann und die Frau eilig das Büro und das angrenzende Bad durchsuchten. Sie sahen hinter dem Schreibtisch nach, öffneten den Wandschrank. Keine Spur von Teddy.
Die Frau ging zu der Tür, die auf den Zinnengang hinausführte. Dieselbe Tür, durch die Dr. Welliver gegangen war, um in den Tod zu springen. Als die Frau nach draußen trat, wehte eine Sommerbrise herein, warm und nach Kiefern duftend. Claire hörte schnelle Schritte, dann einen Schrei. Sekunden später kam die Frau wieder herein und zerrte Teddy am Hemd hinter sich her. Er fiel der Länge nach auf den Boden.
Teddy sah
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