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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Latschen bewegte er sich schwerfällig wie ein Elch. Er ging neben ihr in Deckung.
    »Wer kommt denn hier mitten in der Nacht an?«, flüsterte er.
    Eine dunkle Limousine rollte im Hof aus, und ein Mann stieg aus. Er war groß gewachsen und sehnig wie ein Panther. Er blieb neben dem Wagen stehen und ließ den Blick über die nächtliche Szenerie schweifen, als ob er die Dunkelheit nach etwas absuchte, was niemand sonst sehen konnte. Einen panischen Moment lang glaubte Claire, dass er sie direkt ansähe, und sie duckte sich noch tiefer hinter den Busch, versuchte, sich vor seinen alles sehenden Augen zu verbergen.
    Die Haustür des Schulgebäudes ging auf, Licht fiel hinaus auf den Hof, und sie sah Direktor Gottfried Baum im Türrahmen stehen.
    »Anthony!«, rief Baum. »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«
    »Das sind beunruhigende Entwicklungen.«
    »Ja, es scheint so. Kommen Sie, kommen Sie. Ihr Zimmer ist bereit, und das Essen wartet auf Sie.«
    »Ich habe im Flugzeug gegessen. Wir sollten unverzüglich zur Sache kommen.«
    »Selbstverständlich. Dr. Welliver hat die Situation in Boston verfolgt. Sie ist bereit einzugreifen, falls es nötig sein sollte.«
    Die Haustür fiel ins Schloss. Claire richtete sich auf. Sie fragte sich, wer dieser merkwürdige Besucher war. Und warum Direktor Baum so nervös geklungen hatte. »Ich schaue mir mal sein Auto an«, sagte sie.
    »Claire, nicht!«, flüsterte Will.
    Aber sie ging bereits auf die Limousine zu. Die Motorhaube war noch warm von der Fahrt, die gewachste Oberfläche schimmerte im Mondschein. Sie ging um den Wagen herum und strich mit der Hand über den Lack. Es war ein Mercedes, das konnte sie am Kühler erkennen. Schwarz, elegant, teuer. Das Auto eines reichen Mannes.
    Natürlich abgeschlossen.
    »Wer ist er?«, fragte Will. Er hatte endlich seinen Mut zusammengenommen, war hinter dem Busch hervorgekommen und neben sie getreten.
    Sie blickte zum Westflügel auf, wo in einem erleuchteten Fenster kurz eine Silhouette zu sehen war. Dann wurden die Vorhänge abrupt zugezogen, und sie sah nichts mehr.
    »Wir wissen, dass er Anthony heißt.«

9
    In dieser Nacht schlief Maura nicht gut.
    Vielleicht war es das fremde Bett; vielleicht war es die ungewohnte Ruhe, eine so tiefe Stille, dass es schien, als hielte die Nacht selbst den Atem an. Als sie das dritte Mal aufwachte, war der Mond aufgegangen und schien voll in ihr Fenster. Sie hatte die Vorhänge offen gelassen, um frische Luft hereinzulassen, aber nun stand sie auf, um sie wieder zuzuziehen, weil das Licht sie blendete. Am Fenster hielt sie kurz inne und blickte hinunter in den Garten. Er lag da im Mondschein, und die steinernen Statuen schimmerten gespenstisch.
    Hat die eine sich gerade bewegt?
    Sie stand da, die Finger um den Vorhangstoff gekrampft, und starrte die Statuen an, die wie Schachfiguren zwischen den gestutzten Hecken standen. Durch diese geisterhafte Szenerie bewegte sich eine schlanke Gestalt mit langem silberhellem Haar, feingliedrig wie eine Nymphe. Es war ein Mädchen, das durch den Garten spazierte.
    Über den Flur vor ihrer Zimmertür knarrten Schritte. Sie hörte Männerstimmen.
    »Wir sind nicht sicher, ob die Bedrohung echt oder eingebildet ist, aber Dr. Welliver ist offenbar überzeugt, dass sie echt ist.«
    »Die Polizei scheint die Situation im Griff zu haben. Wir können nur die weitere Entwicklung abwarten.«
    Ich kenne diese Stimme. Maura zog einen Morgenmantel an und öffnete ihre Tür. »Anthony!«, rief sie.
    Anthony Sansone drehte sich zu ihr um. Ganz in Schwarz gekleidet, wirkte seine hoch aufragende Gestalt neben dem wesentlich kleineren Gottfried Baum im schummrigen Licht des Flurs beinahe bedrohlich. An seiner zerknitterten Kleidung und seinen müden Augen konnte sie ablesen, dass er eine lange Reise hinter sich hatte.
    »Es tut mir leid, wenn wir Sie geweckt haben, Maura«, sagte er.
    »Ich wusste ja gar nicht, dass Sie der Schule einen Besuch abstatten.«
    »Ich muss mich nur um ein paar Probleme kümmern.« Er lächelte, doch es war ein kontrolliertes Lächeln, das nicht bis zu seinen Augen reichte. Maura nahm eine beunruhigende Anspannung in diesem Flur wahr. Sie bemerkte sie in Gottfried Baums Miene und in dem kühlen, distanzierten Blick, mit dem Sansone sie jetzt musterte. Er war noch nie besonders offen und herzlich gewesen, und es hatte Momente gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob er vielleicht gar eine gewisse Abneigung gegen sie empfand. An diesem Abend

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