Abendstern - Roman
keinen Appetit.« Fox warf Gage einen Blick zu. »Du?«
Oben wartete Cal, bis sie im Arbeitszimmer waren, das im Moment als Schlafzimmer für die Männer diente. Er drängte Quinn mit dem Rücken an die Tür. Der erste Kuss war hart und zornig. Der zweite frustriert. Und der letzte weich und sanft.
»Was auch immer im Moment in deinem Kopf vorgeht, vergiss es. Kapiert?«
»Cal …«
»Ich habe ein ganzes Leben dazu gebraucht, um auszusprechen, was ich heute früh zu dir gesagt habe. Ich liebe dich. Daran ändert sich nichts. Also hör auf damit, Quinn, sonst werde ich böse.«
»Es war nicht … es ist nicht …« Sie schloss die Augen, um die Tränen zurückzudrängen. »Als ich heute früh die Mail gelesen habe, hat es …«
»Es hat dich umgehauen, das verstehe ich. Aber weißt du was? Ich bin da! Ich helfe dir.« Er hob die Hand, ballte eine Faust und öffnete sie wieder.
Quinn nickte. Sie drängte die Tränen zurück und legte ihre Handfläche an seine.
»Okay?«
»Nein, nicht nur okay«, erwiderte sie. »Gott sei Dank passt besser.«
»Komm, wir drucken die Seiten aus.«
»Ja.« Sie blickte sich im Zimmer um. Überall lagen Kleiderhaufen. »Deine Freunde sind ganz schön schlampig.«
»Ja. Ja, das sind sie.«
Gemeinsam bahnten sie sich durch das Chaos einen Weg zum Computer.
19
Im Esszimmer verteilte Quinn Kopien der Ausdrucke. Auf dem Tisch standen Schüsseln mit Popcorn, stellte sie fest, eine Flasche Wein, Gläser und Papierservietten, die zu Dreiecken gefaltet waren.
Cybil hatte das alles gemacht, das wusste sie, aber es sollte kein Friedensangebot sein. So etwas hatten sie nicht nötig. Es war nur einfach so.
Sie legte Cybil kurz die Hand auf die Schulter, bevor sie sich setzte.
»Ich möchte mich für das große Drama entschuldigen«, begann Quinn.
»Wenn du das schon für ein Drama hältst, dann musst du unbedingt mal zu einem Familientreffen zu mir nach Hause kommen.« Fox lächelte sie an und nahm sich eine Handvoll Popcorn. »Die Barry-O’Dell brauchen kein Dämonenblut, damit bei ihnen die Hölle los ist.«
»Ja, das mit dem Dämon wird jetzt wohl zum Running Gag werden.« Quinn schenkte sich ein Glas Wein ein. »Ich weiß nicht, wie viel ihr aus den Unterlagen hier erkennen könnt, aber auf jeden Fall zeigt es die direkte Abstammung von der anderen Seite her.«
»Bist du sicher, dass Twisse Hester Deale vergewaltigt hat?«, fragte Gage.
Quinn nickte. »Ja, ganz sicher.«
»Ich habe es erlebt.« Layla zupfte nervös an ihrer Serviette. »Es war nicht so wie diese kurzen Momentaufnahmen,
die Cal und Quinn zu sehen bekommen, sondern … Vielleicht liegt es ja an der Blutsverwandtschaft. Auf jeden Fall weiß ich, was er ihr angetan hat. Und ich weiß, dass sie vorher noch Jungfrau war.«
Sanft nahm Fox ihr die Papierfetzen ab und gab ihr seine Serviette.
»Okay«, fuhr Gage fort, »dann ist also Twisse der, den wir in Ermangelung eines besseren Ausdrucks als Dämon bezeichnen.«
»Er mochte das Wort nicht«, warf Cal ein.
»Twisse missbraucht Hester, um ein Kind zu zeugen.«
»Wenn man sich den Stammbaum anschaut, hat es in den ersten hundert, hundertzwanzig Jahren nach Hester viele Selbstmorde und gewaltsame Tode gegeben«, sagte Quinn. »Und wenn wir ein weniger tiefer gehen könnten, würden wir sicher viele Fälle von Mord und Wahnsinn entdecken.«
»Gibt es denn in der jüngeren Vergangenheit irgendwelche Fälle?«, fragte Fox. »Größere Leichen im Keller?«
»Nicht dass ich wüsste. Natürlich gibt es auch in unserer Familie die übliche Zahl an verrückten oder unangenehmen Verwandten, aber niemand sitzt im Gefängnis oder der Nervenheilanstalt.«
»Es löst sich auf.« Fox kniff die Augen zusammen.
»Das war nicht sein Plan, nicht seine Strategie. Überlegt doch mal. Twisse weiß nicht, was Dent in jener Nacht vorhat. Er hat zwar Hester unter Kontrolle, hat ihr ein Kind gemacht, aber er weiß nicht, was passieren wird.«
»Dass nämlich Dent auf ihn vorbereitet ist«, ergänzte Layla. »Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Er hatte vor, Dent in jener Nacht zu vernichten oder zumindest zu vertreiben.«
»Dann hätte er die Stadt übernommen«, fuhr Fox fort, »sie ausgesaugt und wäre weitergezogen. Und er hätte Nachkommen hinterlassen, damit er sich in Ruhe den nächsten Ort aussuchen konnte.«
»Aber stattdessen hält Dent ihn fest, bis …« Cal betrachtete die dünne Narbe an seinem Handgelenk, »bis Dents Nachkommen ihn herauslassen. Warum hat er das
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