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Abendstern - Roman

Abendstern - Roman

Titel: Abendstern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ausgesehen. Undurchsichtig. Er ist nicht ganz rund, aber auch nicht wirklich oval, mehr so wie eine dicke Mondsichel. Es gab viele Steine, manche richtige Felsblöcke, andere eher Kieselsteine. Sie hat sich die Taschen damit vollgeladen, bis sie schwer genug war, um von ihrem Gewicht heruntergezogen zu werden. Ihre Haare waren kurz geschnitten, wie abgehackt, und sie hatte einen irren Blick.«
    »Den Berichten zufolge ist ihr Körper aber nicht unten geblieben.«
    »Ja, das habe ich auch gelesen«, bestätigte Quinn. »Man hat sie im Teich treibend gefunden, und weil es Selbstmord war, wurde sie in ungeweihtem Boden begraben. Was aus ihrem kleinen Mädchen geworden ist, weiß ich nicht. Darüber habe ich nichts gefunden.«
    Bevor sie ihren Rucksack wieder aufnahm, holte sie eine Tüte Studentenfutter heraus. Cal schüttelte den Kopf, als sie ihm davon anbot. »Wenn ich so schrecklichen
Hunger hätte, könnte ich auch gleich Rinde und kleine Zweige essen.«
    »Aber es schmeckt nicht schlecht. Was hat denn Ihre Mutter für Sie damals alles eingepackt?«
    »Sandwiches mit Schinken und Käse, hartgekochte Eier, Apfelstücke, Sellerie- und Karottenstäbchen. Hafermehlplätzchen, Limonade.« Er lächelte, als er daran dachte. »Pop-Tarts und Müsli zum Frühstück.«
    »Sie haben aber eine tolle Mutter!«
    »Ja, das war sie immer schon.«
    »Wie lange müssen wir miteinander gehen, bis ich Ihre Eltern kennen lerne?«
    Er überlegte. »Sie möchten, dass ich bald mal wieder zum Abendessen komme. Möchten Sie mitgehen?«
    »Ein selbst gekochtes Essen von Mom? Da bin ich dabei. Wie geht es ihr denn bei all dem?«
    »Es ist alles schlimm für sie. Aber sie haben mich noch nie in meinem Leben im Stich gelassen.«
    »Sie sind ein glücklicher Mann, Cal.«
    Er bog auf einen schmalen, mit Brombeerranken überwucherten Pfad ein. Lump lief voraus, als ob er wüsste, wo sie hinwollten. Beim Anblick des Teiches lief es ihm kalt über den Rücken. Aber das war immer so.
    Die Vögel sangen, und Lump scheuchte - allerdings mehr aus Zufall - ein Kaninchen auf. Das Sonnenlicht schien durch die kahlen Bäume auf den mit Blättern bedeckten Boden und glitzerte leicht auf dem braunen Wasser von Hester’s Pool.
    »Tagsüber sieht es anders aus«, stellte Quinn fest. »Aber ich müsste schon sehr jung sein, um bei heißem
Wetter den Wunsch zu verspüren, hier hineinzuspringen.«
    »Bei uns war das damals so. Fox ist als Erster reingegangen. Wir waren schon früher heimlich hier, um zu schwimmen, aber ich konnte dem nie wirklich etwas abgewinnen. Wer wusste schon, was da unten herumschwamm? Ich dachte immer, Hesters knochige Hand würde mich am Knöchel packen und nach unten ziehen. Dann passierte es.«
    Quinn zog die Augenbrauen hoch, und als er nicht weiterredete, setzte sie sich auf einen Felsblock. »Ich höre zu.«
    »Fox machte sich einen Spaß daraus. Ich war der bessere Schwimmer, aber er schlich sich immer heran. Gage konnte nicht besonders gut schwimmen, aber er machte alles mit. Ich dachte, es sei schon wieder Fox, der mich untertauchte, aber sie war es. Ich sah sie, als ich unterging. Ihre Haare waren nicht so kurz, wie Sie sie gesehen haben, sie flossen um sie herum. Sie sah nicht aus wie ein Geist, sondern wie eine Frau. Ein Mädchen«, korrigierte er sich. »Als ich älter wurde, wurde mir klar, dass sie nur ein Mädchen war. Ich konnte nicht schnell genug aus dem Wasser kommen, dann holte ich auch Fox und Gage heraus. Sie hatten nichts gesehen.«
    »Aber sie glaubten Ihnen?«
    »Ja.«
    »Sind Sie noch einmal hier ins Wasser gegangen?«
    »Noch zweimal. Aber ich habe sie nicht mehr gesehen.«
    Quinn gab Lump, der nicht so wählerisch war wie
sein Herrchen, eine Handvoll Studentenfutter. »Im Moment ist es viel zu kalt, aber im Juni würde ich gerne einmal ausprobieren, was passiert, wenn ich hier ins Wasser gehe.« Kauend blickte sie sich um. »Es ist ein hübsches Fleckchen. Primitiv, aber trotzdem pittoresk. Für drei Jungen ist es hier bestimmt aufregend.«
    Sie legte den Kopf schräg. »Nehmen Sie Ihre Dates immer hierhin mit?«
    »Sie sind die Erste.«
    »Wirklich? Haben sich die anderen nicht dafür interessiert oder haben Sie ihnen einfach nur nicht geantwortet?«
    »Beides.«
    »Dann schlage ich hier ja sämtliche Rekorde.« Quinn blickte nachdenklich auf das Wasser. »Sie muss so traurig gewesen sein, so schrecklich traurig, dass sie geglaubt hat, es gäbe keinen anderen Weg mehr für sie. Natürlich war sie sicher auch

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