Abendstern - Roman
ist schon wieder weg. Lass uns noch einen Moment sitzen bleiben. Ich hörte es knurren und drehte mich um. Mein erster Impuls war, dich aus der Trance zu schütteln.«
»Wir hätten uns beide nicht wehren können«, sagte Cal.
»Du brauchst dich nicht aufzuregen, weil du es nicht vorausgesehen hast. Es hat bloß ein bisschen geknurrt und geraschelt, war aber nicht zu sehen. Dann hörte es auf, und du warst wieder da.«
»Wie lange?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, höchstens zwei Minuten, obwohl es mir länger vorkam. Aber ich will jetzt wirklich nicht mehr hierbleiben. Hoffentlich kannst du gehen, Cal, denn ich bin zwar stark und widerstandsfähig, aber ich glaube nicht, dass ich dich huckepack tragen kann.«
»Natürlich kann ich gehen.«
»Gut, dann lass uns aufbrechen. Und wenn wir wieder in der Zivilisation sind, dann spendierst du mir was Ordentliches zu trinken, Hawkins.«
Sie schulterten ihre Rucksäcke und machten sich,
gefolgt von Lump, auf den Weg. Insgeheim wunderte sich Cal, dass er ihr nichts vom Blutstein erzählt hatte - den drei Teilen, die Fox, Gage und er besaßen. Den drei Teilen, von denen er jetzt wusste, dass sie das Amulett bildeten, das Giles Dent damals, als er am Heidenstein lebte, getragen hatte.
Während Cal und Quinn sich auf den Heimweg machten, wanderte Layla ziellos durch die Stadt. Es war seltsam, sich einfach treiben zu lassen. In den Jahren in New York hatte sie immer ein spezifisches Ziel gehabt oder bestimmte Dinge in einem gewissen Zeitrahmen erledigen müssen.
Jetzt vertrödelte sie den Morgen und las in den seltsamen Büchern, die Quinn ihr dagelassen hatte. Eigentlich wäre sie am liebsten in ihrem Zimmer geblieben, in der Sicherheitszone, wie Quinn es genannt hatte.
Aber sie musste von den Büchern weg. Außerdem konnte das Zimmermädchen dann aufräumen, und sie konnte sich in der Zwischenzeit die Stadt anschauen.
Sie hatte nicht das Bedürfnis, sich die Geschäfte anzusehen, aber Quinn hatte sicher recht: Es gab hier interessante Läden.
Allerdings bekam sie schon bei ihrem Schaufensterbummel Gewissensbisse, weil sie ihren Arbeitsplatz einfach so verlassen hatte. Sie hatte die Eigentümerin der Boutique, die sie leitete, nur hastig von unterwegs darüber informiert, dass sie wegen eines privaten Notfalls in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit kommen könnte.
Privater Notfall traf es doch, dachte Layla.
Vielleicht wurde sie auch gefeuert. Aber trotzdem blieb ihr keine andere Wahl.
Wenn es sein musste, würde sie auch einen anderen Job finden. Sie hatte ein paar Ersparnisse, ein finanzielles Polster. Wenn ihre Chefin ihr einen Strick aus der Situation drehte, wollte sie den Job sowieso nicht.
Aber darüber sollte sie jetzt wirklich nicht nachdenken. Entschlossen spazierte sie weiter durch den Ort, bis sie auf einmal vor einem großen Gebäude stand. BIBLIOTHEK stand auf dem steinernen Sturz über der Tür, aber ein glänzendes Schild verkündete, dass sich hier das Hawkins Hollow Gemeindezentrum befand.
Das klang harmlos, aber ihr lief es trotzdem kalt über den Rücken.
Sie überlegte, ob sie ins Museum gehen sollte, hatte aber eigentlich kein Interesse. Kurz dachte sie daran, sich eine Maniküre zu gönnen, aber es war ihr eigentlich egal, wie ihre Nägel aussahen.
Müde und verärgert drehte sie um und wollte gerade wieder ins Hotel zurückgehen, als ihr Blick auf ein Schild fiel.
FOx O’DELL, RECHTSANWALT.
Wenigstens einer, den Layla kannte - mehr oder weniger. Der heiße Anwalt mit den mitfühlenden Augen. Wahrscheinlich hatte er gerade einen Mandanten da oder war unterwegs, aber das war ihr egal. Sie wollte nur etwas anderes machen, als ziellos herumzulaufen.
Die Frau, die am Empfang hinter einem prachtvollen alten Schreibtisch saß, lächelte sie freundlich an.
»Guten Morgen - nein, eher guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich …« Layla stockte. Wie sollte sie es formulieren?
»Ich hatte gehofft, mit Mr O’Dell sprechen zu können, wenn er frei ist.«
»Er ist bei einem Termin, aber er müsste eigentlich gleich fertig sein, wenn Sie also …«
Eine Frau in engen Jeans, einem knappen rosa Pullover und einer unwahrscheinlich roten Mähne kam auf hochhackigen Stiefeln herausmarschiert. »Du sollst ihm die Haut bei lebendigem Leib abziehen, Fox, hörst du? Ich habe diesem Hurensohn meine besten zweieinhalb Jahre geschenkt, und ich will, dass er wie ein Kaninchen gehäutet wird.«
»Habe ich mir notiert, Shelley.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher