Abendstern - Roman
einem der Schlafzimmer, das auf den winzigen Garten hinausging. Sie stand an dem hohen, schmalen Fenster, die Hand gegen die Scheibe gepresst. »Ich dachte, ich würde mich für eines der Zimmer, die zur Straße liegen, entscheiden, damit ich jederzeit sehen kann, wer kommt und geht. Normalerweise mache ich das so, aber dieses Mal ist das hier mein Zimmer. Bei Tag kann man von hier aus bestimmt die anderen Gärten, die Häuser und, wow, die Berge sehen.«
»Entscheidest du dich immer so schnell?«
»Ja, für gewöhnlich schon. Selbst wenn ich mich damit selbst überrasche, wie jetzt. Auch das Badezimmer
ist hübsch.« Sie wies auf eine Tür an der Seite des Zimmers. »Da hier nur Mädchen wohnen, ist es auch kein Problem, die Tür zum Zimmer auf der anderen Seite zu öffnen.«
»Du bist immer sicher, dass sich alles regelt.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Selbstvertrauen ist der erste Schritt, um das zu bekommen, was man will oder braucht. Aber sagen wir mal, ich hoffe einfach, dass Layla und Cyb mir zustimmen, dass es viel praktischer ist, sich ein paar Monate lang ein Haus zu teilen, als in einem Hotel zu wohnen. Abgesehen von der Tatsache, dass sowohl Layla als auch ich vom Speisesaal ziemlich angeekelt sind, nachdem Schleimi sich da breitgemacht hat.«
»Ihr habt aber keine Möbel.«
»Wir gehen auf den Flohmarkt und kaufen uns das Wichtigste. Cal, ich habe schon in weniger komfortablen Unterkünften gewohnt, und nur aus dem einen Grund, um eine Geschichte zu bekommen. Das hier ist sogar noch mehr. Irgendwie bin ich mit dieser Geschichte und diesem Ort verbunden. Das kann ich nicht einfach so ausblenden.«
Er wünschte, sie könnte es. An seinen Gefühlen für sie würde es sowieso nichts ändern. »Okay, aber lass uns ein für alle Mal festlegen: Wenn du aus irgendeinem Grund doch gehen möchtest, brauchst du nichts zu erklären.«
»Abgemacht. Und jetzt lass uns von der Miete reden. Wie viel kostet uns dieses Haus?«
»Ihr bezahlt die Nebenkosten - Strom, Heizung, Telefon, Kabel.«
»Natürlich. Und?«
»Mehr nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Ich werde euch keine Miete berechnen, weil ihr, wenigstens zum Teil, meinetwegen hierbleibt. Wegen meiner Familie, meiner Freunde, meiner Stadt. Daraus will ich keinen Profit schlagen.«
»Immer geradeheraus, was, Caleb?«
»Meistens.«
»Aber ich schlage Profit«, sagte sie optimistisch, »aus dem Buch, das ich schreiben will.«
»Wenn wir den Juli überstehen, und du schreibst ein Buch darüber, dann hast du dir den Profit auch verdient.«
»Gut. Dann sind wir uns also einig.« Sie trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand.
Er ergriff sie und umfasste mit seiner anderen Hand ihren Nacken. Überrascht blickte sie ihn an, aber sie wehrte sich nicht, als er sie an sich zog.
Langsam bewegten sich ihre Körper aufeinander zu, pressten sich seine Lippen auf ihren Mund, glitten ihre Zungen ineinander. Es war keine so heftige Explosion wie der Moment auf der Lichtung, kein plötzliches, fast schmerzhaftes Verlangen, sondern ein langsames Gleiten in die Lust. Alles um Quinn herum wurde still, so dass sie ganz deutlich das leise Summen in ihrer Kehle hörte.
Er spürte, wie sie sich ihm hingab, und die Anspannung, die ihn den ganzen Tag beherrscht hatte, löste sich auf. Es gab nur noch diesen Moment und sie beide.
Auch als er sich von ihr zurückzog, hielt die innere Stille an. Sie öffnete die Augen und schaute ihn an.
»Das waren jetzt nur wir beide.«
»Ja.« Er streichelte mit den Fingern über ihren Nacken. »Nur du und ich.«
»Ich wollte nur sagen, dass ich mich eigentlich romantisch, intim oder sexuell nie mit jemandem einlasse, der in direkter Verbindung zu einer Geschichte steht, an der ich arbeite.«
»Das ist wahrscheinlich klug.«
»Ja, ich bin klug. Ich möchte auch sagen, dass ich in diesem speziellen Fall von dieser Regel abweiche.«
Er lächelte. »Da hast du auch verdammt recht.«
»Du bist ein Angeber. Aber da du auch so geradeheraus bist, gefällt es mir sogar. Leider muss ich jetzt ins Hotel zurück. Ich habe mich um viele … äh, Dinge zu kümmern. Einzelheiten, die ich noch erledigen muss, bevor ich hier einziehen kann.«
»Ja, klar, ich kann warten.«
Er hielt ihre Hand fest und schaltete das Licht aus, als er sie hinausbegleitete.
11
Cal schickte seiner Mutter ein Dutzend rosafarbener Rosen. Sie mochte es, wenn sie Blumen zum Valentinstag bekam, und er wusste, dass sie von seinem Vater immer rote Rosen bekam. Selbst
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