Abenteuer des Werner Holt
sollen noch andere neue Typen in Erprobung sein. Me 262, das ist ein Strahlflugzeug, wie das funktioniert, das weiß keiner.«
Die Wende des Luftkrieges! dachte Holt. Im Einschlafen sah er Schwärme der neuen Jäger die Bomber hinwegfegen … Und ich, dachte er, war oft so wankelmütig und schwach …
Im Café Italia saßen am nächsten Tag Luftwaffenhelfer aller Batterien. Das gestrige Ereignis entzündete die Phantasie. Man erzählteunglaubliche Geschichten und sagte den neuen Maschinen die Vernichtung ganzer Bomberverbände nach. Das unvermittelte Ende der Luftoffensive wurde den neuen Jägern zugeschrieben.
Holt hockte in einem angenehmen Zustand von Schläfrigkeit auf dem alten Plüschsofa und ließ sich von den Mädchen etwas über einen Sanitätseinsatz erzählen, auf den sie sich vorbereiteten. Er hörte nicht zu und überlegte, ob um diese Zeit Frau Ziesche daheim erreichbar sei. Er ließ die Mädchen sitzen und lief durch die zerstörten Straßen. Aus den Krupp-Werken ergoß sich zum Schichtwechsel ein Strom von Menschen. Die Fabriken sind nicht totzukriegen, dachte er.
Frau Ziesche zeigte sich über seinen Besuch erfreut und hörte sich geduldig den Bericht über das rätselhafte Flugzeug an. »Rom hat dein Raketenjäger jedenfalls nicht gerettet«, sagte sie, und er ärgerte sich. Sie gingen zusammen ins Kino. Der uralte Kriminalstreifen beeindruckte Holt wenig, aber die Aufnahmen der Wochenschau verfolgte er mit Interesse. Da waren Panzer zu sehen, die sich mit Sturmgeschützen herumschlugen.
Draußen empfing sie ein klarer und milder Sommerabend. Der böige Wind milderte die Hitze. Sie gingen langsam durch die Straßen einer Villenvorstadt. Nirgendwo Grün, nur Staub und Ruß, die Luft verraucht und unrein … Holt erinnerte sich an die uferlosen Wälder, an Berge und Steinbruch. »Wenn man verreisen könnte, jetzt im Sommer«, sagte er.
Sie sah ihn prüfend von der Seite an, dann lief sie eine Weile wortlos neben ihm her. »Du warst in der letzten Zeit oft patzig und ungezogen.« – »Du mußt das verstehen«, erwiderte Holt. »Im April, im Mai, es war fast zuviel … Die Nerven … Außerdem …« – »Außerdem?« – »Ich war in einer verdammten Krise«, sagte Holt. »Jetzt, wo es hinter mir liegt, seh ich erst, wie zerrüttet ich war. Ich hatte Zweifel an allem. Am Endsieg, an mir selbst. Ja, ich hab …« Sie stieß ihn, da er innehielt, ermunternd mit dem Ellenbogen an. »Ich hab nicht mehr gewußt, ob ich dich … mag.«
Sie lachte klingend und drückte seinen Arm. »Auf den Scheiterhaufen mit dem Ketzer!« Er fragte: »Bist du mir böse?« – »Schrecklich!« sagte sie. »Du wirst feierlich abschwören müssen!«
Die Straßenzüge ringsum lagen in Schutt. Über den Ruinen, über sattem Unkraut stand friedlich der Abend. »Es ist heute wie am Anfang, als ich dich kennenlernte«, sagte Holt. »Was hast du eigentlich gedacht, damals auf der Straße?«
»So fragt man nicht«, antwortete sie. »Du wirst es nie lernen! Man zwingt eine Frau nicht, über etwas nachzudenken, das besser ungedacht und unklar bleibt. Frauen wollen nicht nachdenken über ihr Gefühl.« – »Warum nicht?« Sie sagte nachdenklich: »Warum soll ich mir meiner Schwäche bewußt werden? Aber du verstehst das nicht. Bei euch ist das anders. Ein Mann fühlt sich bestätigt in Eitelkeit und Herrschsucht …« Er verstand sie nur halb. »Ich hab mich wie ein Sklave gefühlt, damals.« – »Mit den Jahren gibt sich das hoffentlich«, sagte sie lachend. »Die Frau will ja auch ein bißchen Furcht haben vor dem Mann, sonst wird es langweilig.«
»Wie konnte ich damals ahnen«, sagte er unwillig, »daß du …« – »Sprich es nur ruhig aus«, erwiderte sie. »Daß ich als verheiratete Frau, und so weiter, das meinst du doch? Es ist eben deine Unerfahrenheit. Sonst hättest du gewußt, daß verheiratete Frauen am leichtesten zu erobern sind.« Sie setzte, in einem Tonfall von Trotz, hinzu: »Jede verheiratete Frau ist zu haben. Jede! Der Mann muß die Frau nur fühlen lassen, daß Widerstand nutzlos ist.«
Das Gespräch behagte ihm nicht, es erinnerte ihn an all das Zweifelhafte, Anrüchige in seiner Beziehung zu ihr. Er sagte ablenkend: »Und doch glaube ich, du würdest es mir sehr übelnehmen, wenn ich einmal den Kopf gegen dich durchsetzen wollte!« – »Weil dein Trotz immer den gleichen dummen Grund hat!« rief sie aufgebracht.
»Verstehst du das nicht?« fragte er. »Kannst du nicht einsehen, wie schwer es
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