Abenteuer des Werner Holt
Reihe von Angewohnheiten angenommen, deren er sich noch bei der Flak geschämt hätte. Er rülpste, ließ rücksichtslos die Darmwinde fahren und quatschte mit den anderen in gemeinen Worten von Weibergeschichten, was Holt um so abstoßender und alberner fand, als Vetter noch immer vor jedem weiblichen Wesen einen roten Kopf bekam.
Obervormann Schulze bediente sich in seiner Begriffsarmut zweier immer wiederkehrender Schimpfwörter: »Sie Untier« und »Sie nasser Sack«. Die Bezeichnung Untier, fand Holt, paßte am besten auf Schulze selbst, wie er so dastand, nach vorn geneigt, das tote Gesicht vorgeschoben und die langen Arme in die Hüften gestützt. »Sie nasser Sack!« brüllte er mit seiner gequetschten Stimme Vetter an. »Mit Sie wer ich noch fertig, aber jetzt falln Sie um, Sie Untier, das kost zwanzig, vonwegen über mir lustig machen!« Vetter kippte gehorsam nach vorn auf den Fußboden und zählte laut: »Eins … zwei … drei …«
Holt zog sich aus und baute sorgfältig an seinem Kleiderpäckchen. Überflüssig, daß ich mir solche Mühe geb, dachte er dabei. Es ist sowieso ein Lotteriespiel, wen es trifft! Fast alle lagen schon auf den Strohsäcken, nur Wolzow fehlte noch.
Holt kletterte auf sein Bett. Wolzow hatte sich eine Ausnahmestellung erobert. Nach außen hin knallte er vor Schulze die Hacken noch lauter als andere, aber hinter dieser Kulisse der Subordination soufflierte er dem Obervormann beim Dienst und flüsterte ihm alles ein, was nötig war, das Ansehen des Truppführers bei den Vorgesetzten sprungartig zu heben. Wolzow verhalf Schulze zu der Anerkennung, sein Trupp sei der beste der Abteilung. Wolzow organisierte den Dienst, und der Obervormannbefahl mit armen Worten, was Wolzow durchdacht hatte. Wolzow war der eigentliche Führer des Trupps. Schulze fügte sich und fuhr gut dabei, in der Illusion, daß er der Vorgesetzte und Wolzow eine Art Adjutant sei. Das einzige Originale an Schulze war das Schimpfen und Brüllen und das Leuteschinden.
Wolzow zeigte sich seit den Urlaubstagen finster und verschlossen, was Holt auf den Drill schob. Wer weiß, ob ich mich nicht auch so verändert hab … Er rauchte, obwohl das Rauchen im Bett verboten war. Aber er konnte sich nicht entschließen, die Zigarette auszudrücken. Vetter und ein blonder, gutmütiger Bauernbursche aus dem Harz hatten Stubendienst und fegten eifrig den geölten Bretterboden. Der Obervormann saß angekleidet an seinem kleinen Tisch neben der Tür. Endlich polterte Wolzow in die Stube. Er hatte im Speiseraum den Dienstplan abgeschrieben und reichte Schulze das Blatt. Der Obervormann rief: »Ich verles den Dienstplan von morgen!« Dann gab er Wolzow das Papier zurück. Wolzow las: »5 Uhr wecken. – 5 Uhr 20 bis 5 Uhr 29 Frühstück. = 5 Uhr 30 raustreten zum Morgenappell. – 6 Uhr bis 8 Uhr 45 Ordnungsdienst. – 9 Uhr bis 10 Uhr 44 Waffenausbildung: Panzerfaust. – 10 Uhr 45 bis 10 Uhr 59 Pause. – 11 Uhr bis 11 Uhr 55 Abteilungsunterricht: Verhütung von Geschlechtskrankheiten römisch zwei. – 12 Uhr bis 12 Uhr 45 Mittagessen, anschließend Mittagsruhe. – 13 Uhr 30 raustreten und Abmarsch zum Scharfschießen, Karabinerübungen III und IV. – 20 Uhr Abendessen. – 21 Uhr Nachtruhe.« Wolzow bückte sich und flüsterte Schulze ein paar Worte zu. Der Obervormann rief: »Karabinerübung IV wird mit Gasmaske geschossen, bis morgen früh Meldung bei mir, wer neue Klarscheiben braucht!« Holt verbarg die Zigarette hinter der hohlen Hand. Käm der Schulze nie drauf! Wenn die Kerle nichts sehn und lauter Fahrkarten schießen, dann wär das Donnerwetter da!
Schulze gab noch den Stubendienst bekannt: »Wenskat und Huber … Daß Sie früh ranhaun, daß Sie gleich Kaffee holn könn!« Er ging von Bett zu Bett, in zehn Minuten war Stubendurchgang. »Gomulka, natürlich Ihr Kleiderpäckchen, saumäßig, raus, Sie Untier, wegen Sie fällt der ganze Trupp auf!« Er warf GomulkasUniformstücke durch die Stube. Gomulka sprang schweigend aus dem Bett und las seine Sachen zusammen.
Holt hatte endlich die Zigarette ausgedrückt und überdachte schläfrig den kommenden Tag. Ordnungsdienst, üble Schinderei. Waffenausbildung, Panzerfaust, kann interessant werden. Abteilungsunterricht, wieder mal Geschlechtskrankheiten, die eine Stunde geht vorbei. Dann raus zum Schießstand, ein Elend, diese Marschiererei.
Schulze, an der Tür postiert, meldete: »Stube fünf mit ein Obervormann und vierzehn Mann fertig zur Stubenabnahme!«
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