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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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ab! Punkt vier treffen wir uns im Café am Markt.«
    Als Gomulka gegangen war, sagte Holt: »Da hat unser Urlaub ein verdammt schnelles Ende gefunden.« Wolzow rauchte und las schweigend weiter. »Diese Tagebücher«, sagte Holt, »hätten mich ja auch mal interessiert. Da müssen doch tolle Sachen drinstehen, nicht?« Wolzow legte den Kopf auf die Seite. »Wie meinst du das?« fragte er. »Was soll das heißen?«
    Holt blickte verwundert auf. »Na … nichts! Ich mein bloß so! Dein Vater war Oberst, das muß doch interessant sein, was er da schreibt!« Er schob den Rucksack zur Tür. »Gib mir eine Zigarre. Danke.« Er rauchte. »Ich wollte mich über viele Dinge mit dir unterhalten. Zum Beispiel … dieses Attentat. Ich versteh das noch immer nicht.«
    Wolzow sprang auf und starrte Holt ins Gesicht, aber dann bückte er sich und holte unter dem Holztisch eine Rotweinflasche hervor. »Jetzt hör mal zu«, sagte er, während er zwei Gläser füllte. »Jetzt werd ich dir mal was sagen.« Er rief: »Ein Wolzow verabscheut diese Verräter! Ein Wolzow hält seinem Kriegsherrn die Treue! … Mein Onkel ist seit 1930 in der Partei, und wir sind seit 1742 Offiziere, und da hat noch keiner seinen Treueid gebrochen!« Er hielt den Packen der Tagebücher in der Hand. Nun warf er ihn auf den Tisch, daß die Weingläser überschwappten. »Ein Wolzow steht zum Führer«, rief er und schlug mit der flachen Hand auf die schwarzen Hefte, »und zeigt, was soldatische Haltung ist! Jetzt beginnt für uns ein neuer Abschnitt, jetzt wird es ernst! Geb’s Gott, daß der Krieg noch zwei Jahre dauert, dann sollst du erleben, was ein deutscher Offizier ist.«
    Er weiß, was er will, dachte Holt, wenn er auch Wolzows Erregung nicht recht verstand. Alles oder nichts, die Halben soll der Teufel holen! Sie tranken. »Auf gute Kameradschaft!« rief Wolzow. Er hielt Holt die Parabellum hin. »Zeig sie nicht rum, bis wir mal im Einsatz sind.«
    Holt sah auf die Uhr. Er nahm einen Zettel und schrieb die Adresse seines Vaters auf. Er bat Wolzow: »Nimm meinen Rucksack mit, ich komm später.« Er lief durch die Straßen zur Parkinsel.
     
    Holt wartete länger als eine halbe Stunde.
    »Ich muß auf die Kinder aufpassen«, sagte Gundel, atemlos vom schnellen Lauf. »Ich hab nur zehn Minuten Zeit …« Er zog sie über die Brücke in die Anlagen und redete auf sie ein. »Denk an alles, was ich dir gesagt hab: ich komm wieder! Ich schreib dir postlagernd, geh ab und zu fragen. Schreib mir, sooft du kannst, ja? Und hier … die Adresse meines Vaters.« Sie las den Zettel. »Doktor Richard Holt?« – »Er ist Professor. Aber jetzt hat er eine ganz armselige Stellung, weil er … Ich hab so gut wie keine Verbindung zu ihm. Aber wenn du je im Leben hinkommen solltest, sag, daß wir uns kennen. Du kannst ihm alles erzählen, da wird er dir bestimmt helfen.« Er nahm ihre Hand, eine rissige, verarbeitete Kinderhand. »Leb wohl, Gundel!« Sie sagte: »Komm wieder, Werner … Und werd nicht so … so, wie du heute morgen warst!« – »Ich hab doch Theater gespielt!« rief er. »Ich hab meinen Hauptmann nachgeahmt!« – »Ich weiß«, sagte sie. »Aber etwas davon ist auch in dir.« Er fühlte den Druck ihrer Hand. Sie wandte sich ab. Er rief sie noch einmal zurück, zog das Kästchen aus der Brusttasche und legte Utas Kreuz mit dem Kettchen in ihre Hände. »Ich hab’s vor einem Jahr geschenkt bekommen, von einem Mädchen, das vielleicht gar nicht mehr lebt …«
    Sie schaute lange auf das rote Gold und flüsterte die Jahreszahl: »Sechzehnhundertzweiundneunzig …«
    »Lies, was da steht«, bat er. Sie buchstabierte die verschnörkelte winzige Gravierung. Dann lief sie davon.
    Er ging durch die Anlage und schaute über den Fluß.
     
    Im Café saßen Wolzow und Gomulka zwischen den Mädchen. Auch Wurm war dabei. Wolzow führte große Reden, er war angetrunken. Gomulkas Gesicht war gerötet. Wolzow rief: »Die Olle rückt nur Bier raus! … Da hat Stammführer Wurm eine Pulle von daheim geholt! Bist eben doch ein guter Kerl, was?« Er schlug ihm kräftig auf die Schulter. Man drückte Holt ein Glas in die Hand. Jemand rief: »Trinkspruch!« Wolzow sprang auf und brüllte, daß die Adern auf seiner Stirn schwollen: »Schlägt’s dich in Scherben, ich steh für zwei, und geht’s ans Sterben, ich bin dabei!« – »Wir müssen zur Bahn«, mahnte Gomulka. Ein Bierglas fiel vom Tisch und zerbrach. Holt warf den Rucksack über die Schulter. Der Stahlhelm

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