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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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gar nicht, gegen den Schulze hast du keine Chance, der dreht dir einfach den Hals um. Der Wolzow würde mit ihm fertig, aber auf den rechnest du besser nicht. Und außerdem …« – »Halt!« rief Holt und sprang erschrocken in die Deckung der Mauer. Er hob den Karabiner. Aus dem Dunkel rief es die Losung. Es war Böhm. »Halten Sie das Maul! Brüllen Sie nicht so rum!« Holt meldete. Keine besonderen Vorkommnisse. Böhm meckerte: »Auf Posten wird nicht gequatscht! Passen Sie lieber auf!« Er trug eine Maschinenpistole um den Hals und tauchte wieder im Dunkel unter. Sie setzten den Rundgang fort. Holt meinte nach einer Weile mit gedämpfter Stimme: »… und außerdem?«
    Gomulka blieb stehen und sah sich nach allen Seiten um, er durchforschte mit seinen Blicken die Nacht. »Seit hier die Aufstandsbewegung ist«, flüsterte er, »soll hier, wie im ganzen Osten, nicht nur der Kommissarbefehl gelten, sondern auch der Führererlaß über die Behandlung von Straftaten von Angehörigen der Wehrmacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner … Das heißt, wenn sich einer was gegen die Slowaken zuschulden kommen läßt, wird er nicht kriegsgerichtlich, sondern nur disziplinarisch bestraft.« Kommissarbefehl, Führererlaß? »Woher … weißt du das?« fragte Holt befremdet. »Der Erlaß ist ja berüchtigt«, antwortete Gomulka ausweichend. »Kannst ja mal Wolzow fragen, der weiß das alles! Der Erlaß wird der Truppe nicht mehr bekanntgegeben, nur den Führern, denn wenn ihn die Soldaten erfahren haben, dann sind sie so verroht, daß die Disziplin gelitten hat.« – »Woher weißt du das?« fragte Holt abermals. »Das ist ja gleichgültig«, meinte Gomulka. »Ich sag dir’s, damit du gewarnt bist. Du kannst dich nicht mal auf die Kriegsgesetze berufen, wenn du dem Mädel gegen Schulze beistehst.« Sie gingen weiter. Dieser widerwärtige Schulze, dachte Holt haßvoll, dieser bösartige Gorilla! Aber sein Haß war mit Hilflosigkeit gemischt. »Da soll ich also zusehn, wenn er sich an dem Mädchen vergreift?« Er ereiferte sich: »Das sagst du?« Gomulka zeigte zunächst keine Absicht, zu antworten. Aber dann sagte er doch: »Daß du dich so in Wut hineinsteigerst, nimm mir’s nicht übel, Werner … Das machst du doch bloß, weil es um ein Mädchen geht.«
    Holt war gekränkt. »So …«, sagte er. »Und die Russen, in der Batterie damals, waren das auch Mädchen?« Gomulka antwortete nachdenklich: »Nein … Du hast recht. Sei nicht böse«, bat er, »ich dachte nur …« Er hat recht, dachte Holt, nein, er hat doch nicht recht … Vielleicht ist es immer noch wie vor einem Jahr, als ich glaubte, mit Gilbert für … Gerechtigkeit kämpfen zu müssen, damals, als mich die Marie Krüger behext hatte, daß ich dem Meißner an den Kragen wollte … Das war kindisch. Nein, es war nicht kindisch, aber … Es hat keinen Zweck, dachte er. Was ist Gerechtigkeit? Vielleicht ist alles falsch … oder vielleicht ist Mitleid wirklich Schwäche, und Ziesche hatte doch recht, und wahre Gerechtigkeitist Härte, wenn wir Deutschen … Mit verbundenen Augen im dunklen Zimmer, dachte er.
     
    Die nächsten Tage brachten schwere Arbeit. Transportzüge mit SS-Einheiten trafen auf dem Bahnhof ein. Die Arbeitsmänner entluden Waggons: Waffen und Gerät, Kraftfahrzeuge, auch Pferde und Fuhrwerke, leichte Feldgeschütze und Minenwerfer. »Jetzt geht’s den Banden an den Kragen!« frohlockte Vetter. »Jetzt dauert das keine acht Tage mehr!« Wolzow fluchte, als sie stundenlang Munitionskisten und Granatkörbe schleppten: »Das könnten auch die Slowaken machen, das faule Volk hockt daheim in den Stuben!«
    In der Mittagspause löffelte er aus dem Kochgeschirr den faden Eintopf. »Eine kriegsstarke SS-Division ist das. Ich hab gehört, es sollen Spezialverbände sein, die Division hat in den Pripjet-Sümpfen Partisanen gejagt, die haben Erfahrung in so was!« Sie stapelten weiter Munitionskisten auf die wartenden Fahrzeuge. Ein paar Kisten Gewehrmunition wurden in der Schule abgeladen.
     
    Eine Woche war verstrichen, ohne daß der Einsatz etwas anderes als Arbeit gebracht hätte. Der September ging zur Neige, aber das Wetter blieb sommerlich warm. Nur die Nächte waren schon kalt und neblig.
    Holt lag eines Tages im Schulgarten in der Sonne und schaute in den Himmel. Er hörte Schritte. Das blonde Mädchen ging den Gartenweg entlang, mit einem Laubrechen und einem großen Henkelkorb. Holt sagte vernehmlich: »Guten Tag.« Sie blickte rasch zu

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