Abenteuer des Werner Holt
sie, in schlechten Tagen mit größerer Entschlossenheit als in den guten und glücklichen Stunden …« Aus. Ende.
»Da hast du den ›Völkischen‹«, sagte Holt, »mir reicht es jetzt wieder mal, Gilbert, mir reicht es wirklich! Wer ist dieser Naumann?« – »Ein SS-General, SS-Brigadeführer, er wird ein ›an der Front gehärteter politischer Soldat genannt‹ … Also, wenn du nicht mitspielst, dann leg ich mir eine Patience!«
Gomulka trat ins Wachlokal. »Werner, wir müssen gleich ablösen!« Holt setzte den Helm auf und nahm den Karabiner. Sie warteten am Hintereingang. Der große, quadratische Hof war an drei Seiten vom Garten umgeben, und der buschreiche, mit Obstbäumen und Ziersträuchern bepflanzte Garten grenzte an dennahen Wald. In der Mitte des Hofes stand eine Pumpe, rechts am Zaun ein Schuppen, und daneben führte eine Pforte in den Garten. Hinter der Pumpe, dem Hofeingang gegenüber, wohnte der Hausmeister in einem kleinen Gartenhaus aus roten Backsteinen.
Bei der Pumpe lümmelten ein paar wachfreie Arbeitsmänner, Wenskat, Baruffke, Zöllner und Meermann, auch Vetter war dabei, alle halbnackt, sie hatten sich dort gewaschen. Holt sagte: »Sieht vorläufig aus wie’s große Los, der Einsatz, neben dem Lagerbetrieb eine Erholung!« Gomulka antwortete nicht. Holt sah aus dem Gartenhäuschen ein junges Mädchen treten und über den Hof zum Schuppen gehen. Sie war vielleicht zwanzig Jahre alt und hatte sehr helles und langes Haar. »Schau dir an, was die Slowaken für hübsche Mädchen haben!« sagte er. Aber Gomulka schwieg hartnäckig.
Beim Brunnen pfiff Wenskat schrill auf zwei Fingern, jemand rief langgezogen: »Heeeee! Puppchen!« – »Die solln sich was schämen«, sagte Holt, »was soll die denn von uns denken!« Er ging über den Hof. Gomulka folgte ihm. »Haste gesehn, Holt?« fragte jemand. »Das wär meine Hutnummer, wie?« Holt sagte: »Benehmt euch!« – »Quatsch doch nicht, Mensch«, sagte Wenskat, »hier so’n Zimt machen wegen der Slowakischen!«
Das Mädchen brachte zwei Zinkeimer aus dem Schuppen und näherte sich zögernd der Pumpe. »Die will Wasser holen!« krähte Vetter. Holt sah, als sie herankam, daß sie große blaue Augen hatte. Ihr Gesicht war verschlossen. Sie erinnerte ihn in allem, in Gang und Haltung und in der Art, wie sie den Kopf trug, an Uta. Wenn die Kerle unverschämt werden, dachte er, dann … Aber er dachte zugleich: Vorsicht, daß ich nicht wieder in irgendwas hineintreib …
Das Mädchen stellte einen Eimer unter das Wasserrohr. Wenskat rief: »Na, Kleine, willst dir von uns bissel pumpen lassen?« Das Mädchen verstand wohl kein Deutsch und nahm das rohe Gelächter unbewegt hin. Sie wollte den Pumpenschwengel fassen, aber Wenskat streckte rasch ein Bein aus und schrie: »Nix daitsch, wos? Verstehste nicht? Was wir wollen, ist international!« Sie versteht wirklich kein Deutsch, dachte Holt, und er fuhrWenskat an: »Nimm die Knochen weg … los!« Wenskat sagte verständnislos: »Was willste? Bist wohl …« Holt sagte drohend: »Du nimmst sofort das Bein weg, oder es setzt was!« – »Der Kerl spinnt lauwarm«, sagte Wenskat, aber er zog doch den Fuß zu sich heran. Das Mädchen trat an den Brunnen, füllte die beiden Eimer und trug sie zum Gartenhaus. Die Arbeitsmänner sahen ihr nach. Wenskat sagte böse: »Wie meinst’n das, daß du wegen der mit mir Streit anfängst, ha?« An der Hoftür brüllte Schulze: »Holt, Gomulka! Posten ablösen!«
Mißmutig standen sie zwei Stunden auf dem Gehsteig vor dem Eingang. Die Stadt lag wie ausgestorben. Am späten Abend rückten die beiden Züge ins Quartier und füllten den Schulhof mit Lärm. Als es Mitternacht war, ging Holt mit Gomulka die Streife um Schule und Garten. Gomulka begann unvermittelt: »Das ist die Tochter vom Hausmeister, Milena heißt sie. Der Schulze hat ein Auge auf sie.« – »Schulze?« rief Holt. »Dieser Pavian?« – »Als er von ihr erzählt hat, da hab ich zum erstenmal in seinem Gesicht etwas wie einen Ausdruck gesehn. Übrigens keinen guten.« Was reg ich mich auf? dachte Holt. Sie geht mich nichts an! Aber … sie soll wissen, daß hier nicht alle dumm und rüpelhaft sind. Gomulka sprach weiter: »Warum hast du sie an der Pumpe in Schutz genommen?« – »Ich sag dir was!« rief Holt wütend. »Wenn der Schulze … Also, daraus wird nichts!« – »Sieh dich vor«, sagte Gomulka bedächtig. »Angriff auf einen Vorgesetzten, Kriegsgericht, aber soweit kommt es
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