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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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das ist ein mieses Zeichen, daß keiner getroffen hat!«
     
    Am nächsten Tag erreichten sie endlich das Ziel. Der Zug lief in einen Güterbahnhof ein. Gleisanlagen, Schuppen und Stellwerke dehnten sich weitflächig bis zum Wald. Ein paar Kilometer weiter überspannte eine Eisenbahnbrücke das tiefeingeschnittene Tal eines schmalen, reißenden Flusses. »Das ist der Gran«, erklärte Wolzow nach einem Blick auf die Karte. Die Stadt lag eine halbe Wegstunde vom Güterbahnhof entfernt zwischen dichten Laubwäldern, eine kleine, verschlafene Stadt mit wenigen Straßen. Sie marschierten durch die engen Gassen. Obwohl es Mittag war, sah man kaum einen Menschen. Sie sangen: »… her zu uns, daß wir die Saat beginnen, ein Hunger ist in die Augen gesetzt, neue Lande, neue Lande wollen wir uns gewinnen.« Sie marschierten durch die Stadt hindurch und hinaus aus dem verwinkelten Straßengewirr auf einen großen freien Platz. Dort befahlBöttcher Halt. Ein größeres freistehendes Gebäude kehrte die Front mit dem Eingang dem Platz und der Straßenmündung zu, ein zweigeschossiges Schulhaus, von einem weitflächigen, dicht bepflanzten Garten umgeben, der mit niedrigen Lattenzäunen zu beiden Seiten des Gebäudes an den Platz grenzte. Die Giebelwände waren kahl und fensterlos. Die Fenster an der Frontseite waren im Erdgeschoß eng vergittert, desgleichen die Kellerfenster.
    »Scheißquartier!« sagte Wolzow, während er das Gewehr absetzte. »Schlecht zu bewachen!« Böttcher hatte mit den Zugführern das Schulhaus besichtigt und gab Befehle. »Erster Zug Wachdienst. Zweiter Zug räumt die Schule aus. Dritter Zug holt Stroh ran. Los, auf dem Hof Gepäck ablegen, Waffen werden ständig mitgeführt. Gewehre umhängen. Links um. Zugweise Reihe rechts, ohne Tritt marsch. Mitkommen.«
    Holt trat durch den Eingang, die wenigen Stufen hoch, dann wichen die Mauern zu beiden Seiten weit zurück und umschlossen eine geräumige Eingangshalle. Dort zweigten links und rechts die Korridore mit den Klassenzimmern ab. Geradeaus, dem Eingang unmittelbar gegenüber, führte eine breite Holztreppe ins Obergeschoß. Rechts daneben ging es wieder ein paar Stufen hinab und dann an der Kellertür vorbei durch die Hoftür ins Freie. Von der Eingangshalle sah man links, vor dem Korridor, durch eine Tür in einen kleinen Raum. Dort stand der Hausmeister, ein dunkelhaariger Mann von fünfzig Jahren. Böhm schnauzte ihn an: »Schlüssel her, los! Sie scheren sich weg hier! Weg, Mann!« brüllte er. Der Hausmeister verstand offensichtlich kein Deutsch. Nun verließ er durch die Hoftür das Schulhaus.
    Holt arbeitete bis zum Abend. Er half, Schulbänke und Katheder auf den Hof zu räumen. Der dritte Zug brachte Wagenladungen voll Stroh heran. Sie schleppten die Ballen in alle Klassenzimmer.
     
    Am anderen Tag hatte der zweite Zug Wachdienst. Böhm teilte ein. Der erste Trupp mit Obervormann Schulze übernahm die Quartierwache, der zweite Trupp mit Obervormann Rößler dieStadtstreifen, der dritte mit Obervormann Berger die Wache am Bahnhof, der vierte mit Obervormann Lachmann die Wache an der Eisenbahnbrücke. Böhm erklärte: »Die Brückenwache schießt von zwanzig bis sechs Uhr ohne Anruf, in dieser Zeit hat die Bevölkerung Ausgehsperre. Die Quartier- und die Bahnhofswache schießt nach einmaligem Anruf. Die Stadtstreifen nehmen alle Zivilisten fest, die nach einundzwanzig Uhr auf der Straße angetroffen werden. In der Polizeistelle, wo das Wachlokal ist, sind feste Zimmer. Die Polizei geht nachts keine Streifen. Am Tage werden ständig Ausweise kontrolliert, eine Liste der gültigen Papiere hängt im Wachlokal. Sind noch Fragen?« Niemand meldete sich. Böhm fuhr fort: »Die Slowakei ist mit uns verbündet, aber die Bevölkerung ist aufsässig und deutschfeindlich. Die örtlichen Polizeiorgane genießen kein Vertrauen, wenn irgendwas passiert, werden sie festgenommen und entwaffnet. Bei allen Verhaftungen rücksichtslos zupacken! Widerstand mit allen Mitteln brechen! Es ist besser, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, als verdächtige Elemente laufen zu lassen.« Er las aus seinem Notizbuch ab: »Jedoch ist nach Möglichkeit darauf zu achten, daß mit dem Reich sympathisierende Bevölkerungsteile korrekt behandelt werden.« Er befahl: »Gewehre umhängen!« Dann legte er die Hände an die Hosennaht: »Zweiter Zug … stillstann! Parole ›Morgenlicht‹.« Er hob den Arm zum Gruß. »Vergatterung!« Die Trupps zogen sofort zur

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