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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Bahnhof. Auch die Brückenwache war angegriffen worden. Böhm übernahm das Kommando über die Abteilung, lief mit dem Notizbuch herum und versuchte, die Verluste festzustellen. Die Abteilung war von hundertfünfundachtzig auf hunderteinunddreißig Mann zusammengeschmolzen.
    Holt zitterte bei dem Gedanken an die kommende Nacht. Er lag in einem Kornspeicher. Wolzow trieb sich draußen herum; am Nachmittag sagte er: »Wenn’s dunkel ist, dann kommen die wieder.«
    Aber am späten Nachmittag rollte eine motorisierte SS-Einheit in die Stadt. Die Arbeitsmänner drängten sich vor dem Bahnhof um die Lastwagen. Vetter rief: »Schau mal, was die für tolle Waffen haben!« – »Sturmgewehr 44«, sagte Wolzow, »eine neue Maschinenpistole.« – »Wenn wir so was hätten«, rief Vetter, »da hätten wir heut nacht bestimmt gesiegt!«
    Holt saß teilnahmslos auf der Betonrampe eines Güterschuppens. Wenn sie wiederkommen, dann verlieren wir wieder fünfzig Mann. Und morgen abermals. Und spätestens übermorgen bin ich dran. Noch zwei Tage … Böhm ließ antreten. Die Arbeitsmänner kletterten auf die Lastwagen. Die SS stand Gewehr bei Fuß vor dem Bahnhof und blieb.
    Die Fahrzeuge rollten in einem Tal den Weg entlang, der dem Lauf eines reißenden Gewässers folgte. Das ferne Geschützfeuer, das seit dem Morgen über den Bergen grollte, kam näher und näher. Am Abend erreichten sie ein Dorf in einem weiten Talkessel. Der Ort war mit SS vollgestopft. Die Abteilung erhielt eine windschiefe Feldscheune als Quartier. Endlich gab es warmes Essen und Verpflegung. Die Abteilung hatte in der Schule alles Gepäck verloren. Holt war noch im Besitz des Brotbeutels und verstaute darin Konserven und Brot. Zigaretten und Tabakhoben die Stimmung. Holt brachte Gomulka zum Verbandplatz. Ein Sanitäter besah die Wunde und sagte verächtlich: »Mach keinen Zimt wegen dem Läusebiß … Was hast du gehabt? Einen Wundschock willst du gehabt haben bei dem Kratzer? Du bist ja bescheuert!«
    Am anderen Tage rückte ein Großteil der SS ab, nur die Stäbe und Troßeinheiten blieben zurück. Böhm hatte ausgeschlafen und zeigte sich sehr geschäftig. Aus den Beständen der SS erhielt die Abteilung eine dürftige neue Ausrüstung, Brotbeutel, Feldflaschen, Feldspaten und jeder eine Zeltbahn. Die drei Züge, zu vier Trupps, waren nun nur noch je einundvierzig Mann stark; als Truppführer wurden Arbeitsmänner, als Zugführer die dienstältesten Obervormänner eingesetzt. Sechs Mann waren überzählig, aus ihnen bildete Böhm einen »Kommandotrupp«, den er Wolzow übergab; Wolzow suchte sich Holt, Vetter, Gomulka und noch zwei andere aus. Am Nachmittag brachte Wolzow Schnaps. Der Alkohol gab Holt nur für kurze Zeit Kraft und Entschlossenheit zurück. Dann beherrschte ihn wieder das trostlose Gefühl von Verlassenheit und Angst.
    Böhm schleppte den Kommandotrupp ständig mit sich herum. »Kommandotrupp? Eine Leibwache hat er gewollt!« sagte Holt. – »Wir sind die Leibstandarte Adolf Böhm«, rief Vetter, auf den die Ereignisse keinen sichtbaren Eindruck hinterlassen hatten.
     
    4
     
    Die Abteilung erhielt einen neuen Einsatzbefehl. Wolzow erzählte. »Heut nacht hat die SS ein Dorf mit einer wichtigen Straßenkreuzung erobert und ist sofort weitergezogen. Wir sollen den Ort besetzen und die Kreuzung bewachen. Endlich mal ein eindeutiger Kampfauftrag, da weiß man doch, woran man ist!«
    Sie marschierten, über dichtbewaldete, mächtig ansteigende Berghänge, durch urwüchsige Laubwälder, auf Waldpfaden und Pirschwegen. Böhm orientierte sich nach der Karte. Ein Trupp zog als Vorhut voraus, die Abteilung folgte in Schützenkette, weitauseinandergezogen. Auf einem breiten, befestigten Fahrweg, unangefochten, wenn auch vom Marsch erschöpft, erreichten sie am Nachmittag ihr Ziel.
    Vor ihnen öffnete sich ein grünes Tal, das sich langgestreckt, etwa drei Kilometer breit, von Osten nach Westen zog. Der Fahrweg stieß im Süden aus den Wäldern heraus, den steilen Berghang hinab ins Tal, und jenseits der Talsohle, im Norden, wieder hoch in die bewaldeten Berge. Die Talsohle entlang, von Osten nach Westen, floß ein breiter Wildbach durch versumpfte Wiesen, und seinem Lauf folgte eine Straße, die im Westen hinter einer Krümmung des Tales verschwand. Wolzow taufte sie Talstraße. Wo beide Wege einander im rechten Winkel schnitten, dort sah man ein halbes Dutzend Häuser, und am Bach ein paar niedrige Gebäude. Das war die ganze Ortschaft.
    Am Fuße

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