Abenteuer des Werner Holt
sie
mich
!« Das Mädchen starrte ihn an. Jetzt wird sie endlich begreifen, daß sie mir unrecht getan hat, dachte Holt. Der Hausmeister sprach mit seiner Tochter. Sie rief: »Schieß doch, Faschist!« Er schrie unbeherrscht, in seiner Nervosität durch dieses unverständliche Gebaren gereizt: »Red doch keinen Unsinn! Ich muß euch erschießen, und was ist, wenn jetzt einer kommt, dann bin
ich
dran, was soll ich denn tun?«
Sie redete hastig auf den Hausmeister ein, der mißtrauisch auf Holt und auf die Pistole blickte und dann irgend etwas antwortete. »Schnell doch!« rief Holt ungeduldig. – »Haben Sie Schlüssel?« – Holt nickte. – »Gegenüber ist Werkzeug … Eine Brechstange!« – Holt blickte zu dem winzigen, vergitterten Fenster hoch. Er verstand. Er probierte die Schlüssel an der gegenüberliegenden Tür. Das Mädchen stand schon neben ihm: »Geben Sie her!« Sie öffnete, und der Hausmeister schob Holt zur Seite und suchte in dem stockdunklen Loch, bis er ein großes, doppelt u-förmig gebogenes Eisen fand. Das Mädchen schloß ab und gab ihm die Schlüssel zurück. Holt steckte die Pistole weg. Der Hausmeister kletterte auf eine hochgekantete Kiste und wuchtete mit dem Eisen an den Gitterstäben. Holt sagte: »In fünf Minuten müßt ihr weg sein, dann kann ich melden, ihr wart schon fort, als ich runterkam.« Sie nickte. Er wollte die Eisentür schließen, aber plötzlich sagte er heiser: »Und wenn uns eure Leute heut nacht … dann denk an mich!« Sie sah ihn groß an. »Schlagt eure Anführer tot! Wir werden sagen, daß sie euch nichts tun!« Verrückt, dachte Holt, sie ist verrückt! Er warf die Tür ins Schloß, drehte den Schlüssel um und lief nach oben.
Er trat gerade in dem Augenblick wieder in den Hausflur, als Kranz an der Hoftür das Gewehr fallen ließ, sich nach vorn neigte, sich immer mehr zusammenkrümmte und dann lautlos nach rechts auf die Seite fiel, mitten in die offene Tür. Holt kniete hinter der Mauer nieder und schob den Gewehrlauf hinaus. Bei derPumpe blitzten wieder Schüsse auf. Kranz streckte sich, dann lag er unbeweglich. Holt schoß das Magazin leer. Er lud und wartete. Sinnlos, dachte er.
Im Haus war es auf einmal ruhig. Auch Wolzow schoß nicht mehr. Aber auf der Straße feuerte noch immer das Maschinengewehr. Das geht doch nun schon eine Stunde so, dachte Holt. Er sah auf die Uhr. Es war noch nicht eins. Wolzow brüllte: »Werner?« Auf dem Hof verstummte das Schießen. Der entfernte Gefechtslärm war nun deutlich vernehmbar. Wird am Bahnhof sein, dachte Holt. Im Garten brach Gebüsch. Auf dem Hof rief jemand fremdartige Worte. Jetzt sind sie weg, dachte er. »Werner!« brüllte Wolzow wieder. Holt antwortete: »Der Kranz ist auch tot! Und die Gefangenen hab ich nicht erschießen können. Die waren getürmt!«
Wolzow riß das Gewehr hoch, auch Vetter schoß, sehr rasch hintereinander knallten die Abschüsse der Walther-Pistole. Dann war wieder Ruhe. »Plötzlich an der Tür waren sie!« rief Vetter. »Wollten einfach rein, so was!« Auf einmal verstummte auf der Straße das Maschinengewehr. Eine mächtige Detonation erschütterte das Schulhaus, eine zweite, dritte, vierte, der Boden bebte, von der Decke fiel Putz. Dann war es totenstill. Wolzows Stimme: »Herr Oberfeldmeister! … Das war oben!« Niemand antwortete. »Rauch«, schrie Wolzow, »es brennt!«
Holt lehnte sich an die Mauer. Aus. Vorbei. Er hörte Wolzow rufen: »Laßt keinen rein!« Dann jagte er die Treppe nach oben. Auf den Hof fiel flackernder Feuerschein. Wolzow polterte wieder die Treppe hinab, kam um die Ecke zu Holt und sagte: »Feierabend! Lesser und Böttcher sind hin … Handgranaten! Das Stroh brennt überall.« – »Gilbert!« schrie Holt. – »Sei doch still!« Wolzow nahm den Helm ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Holt sagte: »Wer ist denn noch da?« Wolzow antwortete: »Wir vier von Anton, sonst keiner.«
Der Feuerschein schlug heller auf den Hof hinaus, auch durchs Treppenhaus flackerte rotes Licht. »Im Dunklen wär eine Chance gewesen«, sagte Wolzow, »aber jetzt knallen sie uns ab, wenn wir durch den Feuerschein laufen, darauf warten die in aller Herrgottsruhe.« Er dachte nach. »Wir müßten längst weg sein! Als eslosging, hätten wir uns sofort zur Bahnhofswache durchschlagen müssen, das wär richtig gewesen, das können wir dem Lesser auf den Grabstein meißeln … Der Lesser«, sagte er plötzlich wütend, »hat’s gewußt, daß es heut losgeht.« Vetter
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